Was ist los in Sachsen? Fall Al-B. Höhepunkt einer Pannenserie
Leipzig/Dresden (dpa) - Seit Monaten hagelt es immer wieder Kritik an sächsischen Sicherheitsbehörden. Ob der Umgang mit Pegida oder jüngst mit dem Terrorverdächtigen Dschaber al-Bakr - das Verhalten der Behörden wirft kein gutes Licht auf Polizei und Justiz.
Die Festnahme des mutmaßlichen Islamisten geht schief, er wird von Landsleuten gefasst - nun erhängt er sich in seiner Gefängniszelle. Der Höhepunkt einer Serie von Pannen?
MISSLUNGENE FESTNAHME: Die Festnahme des 22-Jährigen am vergangenen Samstag scheiterte. Der Zugriff des SEK in dem noch nicht geräumten Plattenbau im Chemnitzer Fritz-Heckert-Viertel wurde abgebrochen. Es war nicht klar, in welcher Wohnung er sich aufhielt. Später war das SEK nicht nah genug dran, um Al-Bakr zweifelsfrei zu identifizieren. Ein Mann verließ das Haus noch während der Umstellung des SEK und flüchtete trotz Warnschusses. Der LKA-Chef begründete dies später damit, dass die Beamten mit der 30-Kilo schweren Schutzausrüstung ihm nicht hätten folgen können. Ein gezielter Schuss war laut LKA zu riskant, da Unbeteiligte in der Nähe waren.
UNGEHINDERTE FLUCHT: Der Terrorverdächtige konnte ungehindert und unerkannt von den Fahndern zunächst nach Eilenburg und anschließend nach Leipzig gelangen - wie ist bisher unbekannt. Dort suchte er nach einem Schlafplatz.
SYRER HELFEN BEI FESTNAHME: Al-Bakr wurde in der Nacht zum Montag im Leipziger Plattenbauviertel Paunsdorf gefasst. Allerdings erst nachdem syrische Landsmänner ihn in ihrer Wohnung überwältigt, gefesselt und die Polizei informiert hatten. Das gestaltete sich nicht so einfach: Der Anruf eines Syrers bei der Polizei blieb aufgrund von Verständigungsproblemen zunächst erfolglos. Daraufhin fuhr der Mann mit einem Foto des überwältigten Al-Bakr zu einem Polizeirevier.
TOD IN DER GEFÄNGNISZELLE: Am Mittwochabend wurde der 22-jährige Al-Bakr erhängt in seiner Gefängniszelle in Leipzig gefunden. Er hatte sich mit seinem T-Shirt stranguliert. Laut Gefängnisleitung wurde die Zelle zunächst alle 15 Minuten kontrolliert, nach Beratung mit einer Psychologin, die keine akute Selbstmordgefahr sah, dann alle 30 Minuten. Gefunden wurde er aber bereits bei einer unplanmäßig vorgezogenen Kontrolle nach 15 Minuten. Dabei hatte die Haftrichterin die Suizidgefährdung schon festgestellt.
PÖBELNDE PEGIDA-ANHÄNGER: Die zentrale Einheitsfeier in Dresden am 3. Oktober - mit Kanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident Joachim Gauck - wird von hasserfüllten Pöbeleien überschattet. Opposition und Kritiker werfen der Polizei vor, dass Pegida-Anhänger vor der Frauenkirche ungehindert demonstrieren konnten. Nach Ansicht von Sachsens Linken-Partei- und Fraktionschef Rico Gebhardt assistierte die Polizei den „Pegidisten“ sogar dabei, dort ein „Hass-Spalier“ zu bilden.
ANSCHLAG AUF MOSCHEE: Am 26. September explodierte vor der Tür einer Dresdner Moschee ein Spreng- und Brandsatz. Der Imam und seine Familie, die sich zum Tatzeitpunkt in der Wohnung aufhielten, blieben unverletzt. Kritik gab danach an der Tatortarbeit der Polizei: Ihr wird vorgeworfen, das Gelände nicht ausreichend abgesperrt zu haben. Journalisten und Politiker konnten ungehindert dorthin, der Sohn des Imams zeigte mögliche Überreste des Sprengsatzes. Erst nach Stunden wurde der Tatort zum zweiten Mal abgesperrt.
HEIDENAU, CLAUSNITZ, BAUTZEN UND FREITAL: Fremdenfeindliche Übergriffe brachten Sachsen bundesweit in die Schlagzeilen. Vor allem in Clausnitz sorgte ein grölender Mob am 18. Februar für Aufsehen: Gut 100 Menschen wollten die Ankunft von Flüchtlingen verhindern und blockierten deren Bus vor der Unterkunft. Ein junger Flüchtling wurde unter dem Gejohle der Demonstranten gewaltsam aus dem Bus gezerrt. Ermittlungen gegen zwei beteiligte Polizisten wurden später eingestellt. Der Chemnitzer Polizeipräsident gab den Flüchtlingen eine Mitschuld, weil sie die fremdenfeindlichen Demonstranten provoziert hätten.