Expertin: Nicht zu verhindern Suizid in der Haft: Sitzwache möglich
Bochum (dpa) - Wie konnte es passieren, dass sich einer der wichtigsten Gefangenen Deutschlands in seiner Zelle erhängen konnte? Drei Fragen und Antworten zum Tod des Terrorverdächtigen Syrers Dschaber al-Bakr im Gefängnis in Leipzig:
Gibt es einheitliche Regeln zur Überwachung?
Grundsätzlich ist die Überwachung in Gefängnissen im jeweiligen Vollzugsgesetz der Länder und in der Verordnung für Untersuchungshaft festgehalten. Diese Regelungen fallen jedoch in jedem Bundesland unterschiedlich aus. „In Sachsen ist eine Videoüberwachung in der U-Haft verboten, die Überwachungszeiten sind nicht geregelt. Das ist Sache der JVA“, sagt der Kriminologe und Polizeiwissenschaftler Thomas Feltes von der Universität Bochum. „Die Intervalle hängen dann von der Personalstärke ab.“
Zum Vergleich: In Nordrhein-Westfalen muss ein Häftling bereits bei „vermuteter suizidaler Gefährdung“ mindestens alle 15 Minuten in der Zelle aufgesucht werden. Oftmals verhindern jedoch Rechtsanwälte von Beschuldigten die Überwachung mit dem Hinweis auf die Wahrung der Menschenwürde.
Welche Möglichkeiten der Überwachung hätte es noch gegeben?
Eine Möglichkeit ist, suizidgefährdete Häftlinge nicht allein in der Zelle unterzubringen. Dies scheidet aber bei Untersuchungshäftlingen, die als derart gefährlich eingeschätzt werden wie Al-Bakr, nach Darstellung des Leiters der Leipziger Justizvollzugsanstalt, Rolf Jacob, aus. Eine Videoüberwachung - wie in Frankreich bei dem Paris-Attentäter Salah Abdeslam - ist in Sachsen nach Jacobs Angaben verboten. Möglich gewesen wäre aber eine durchgängige Beobachtung durch eine Sitzwache.
Ist eine Selbsttötung im Gefängnis zu verhindern?
„Ein klares Nein“, meint die Leiterin der Bundesarbeitsgruppe Suizidprävention im Justizvollzug, die Psychologin Katharina Bennefeld-Kersten. Wer sich umbringen wolle, schaffe das auch. „Sei es mit dem T-Shirt, das in Streifen gerissen wird oder mit dem Bettlaken.“ Selbst eine Überwachung im 15-Minuten-Intervall oder kürzer könne das nicht verhindern. Tatsächlich war Al-Bakr bereits 15 Minuten nach der letzten Kontrolle tot aufgefunden worden. „Und Kleidungsstücke muss man den Häftlingen einfach zugestehen“, sagt Bennefeld-Kersten.