FDP will sich runderneuern - Aber wie und mit wem?
Berlin (dpa) - Noch findet in der schwarz-gelben Koalition das große Wundenlecken nach dem Absturz bei den Landtagswahlen statt, da schafft die FDP bereits Fakten.
Ihr Generalsekretär Christian Lindner verkündete am Dienstag als erste Schlussfolgerung: Alle abgeschalteten alten Atomkraftwerke sollen, wenn es nach der FDP geht, für immer stillgelegt bleiben.
Ihre Restlaufmengen sollen verfallen und nicht auf jüngere Meiler übertragen werden dürfen. „Alles andere ist politisch nicht durchsetzbar“, stellte Lindner lapidar fest. Hinter diese Position wird die FDP - und vermutlich auch die Koalition - kaum mehr zurückkönnen. Auch wenn Unionsfraktionschef Volker Kauder missmutig konterte, eine Kommission einzuberufen und die Ergebnisse schon vorwegnehmen zu wollen, funktioniere nicht: „So kann man nicht miteinander umgehen.“ Mit seiner Position tritt Lindner aber auch Wirtschaftsminister Rainer Brüderle auf die Füße.
Es ist das erste greifbare Ergebnis der „Runderneuerung“, die vor allem die jüngeren Reformkräfte um Lindner, Gesundheitsminister Philipp Rösler und NRW-Landeschef Daniel Bahr ihrer Partei verordnen wollen. Bisherige Kerninhalte der FDP ebenso wie das Spitzenpersonal - inklusive Parteichef Guido Westerwelle - stehen damit auf dem Prüfstand.
Tabu-Themen wie Mindestlohn und dreigliedriges Schulsystem, die Hotelier-Sondersteuer oder die Existenz des Entwicklungshilfe-Ministeriums unter Dirk Niebel - wenn es nach dem Willen der Parteireformer geht, wird das alles jetzt noch mal infrage gestellt. Spätestens beim FDP-Parteitag Mitte Mai in Rostock sollen dann - notfalls auch in Kampfabstimmungen - neue Positionen festgeklopft werden.
Hinter dieser neuen FDP-Hektik steht eine doppelte Erkenntnis der Chefanalytiker an der Parteispitze: Die FDP hat ein massives Glaubwürdigkeitsproblem, das die Existenz der Partei bedroht. Dazu stehen die Liberalen inzwischen weitgehend isoliert im Parteienspektrum da. Sie haben faktisch nur noch die Koalitionsoption mit der Union. Fällt die - etwa bei der Bundestagswahl 2013 - mangels Wählermasse weg, landet die Partei in der Bedeutungslosigkeit.
Deshalb verlangen die Erneuerer nun: „Von den eigenen Dogmen lösen.“ Westerwelles politische Zukunft wird davon abhängen, ob er diesen Weg mitgeht oder nicht. In der Atomfrage hat er sich bereits auf die Seite derjenigen gestellt, die nun den raschen Atomausstieg wollen.
Ob Bundeswirtschaftsminister Brüderle mitzieht und sich an die Spitze des Atomausstiegs stellt, wenn jetzt massiver Ärger mit der Energieindustrie ansteht? Davon wird auch abhängen, ob er Vize-Parteichef und letztlich auch Minister bleiben wird. Den Landesvorsitz in Rheinland-Pfalz hat er bereits geräumt. Manche sehen ihn dadurch geschwächt.
Immerhin war der erklärte Marktwirtschaftler vor nicht allzu langer Zeit der einzige unter den FDP-Ministern, der auf Pluspunkte auf der Beliebtheitsskala kam. Doch die in den verschiedenen FDP-Zirkeln kursierenden Planspiele machen davor nicht halt.
Spätestens beim FDP-Wahlparteitag Mitte Mai soll das neue FDP-Führungsteam stehen: Neue Gesichter mit neuen Aufgaben, heißt es. Die Mannschaft, die dann gewählt wird, soll die FDP auch in die Bundestagswahl führen. Mit oder ohne Westerwelle? Mit oder ohne Brüderle? Mit oder ohne Fraktionschefin Birgit Homburger? Das ist noch nicht entschieden, sagen einflussreiche FDP-ler. „Ein offener Prozess“, sagt Westerwelle selbst.