Fragen über Fragen: Die „Causa Wulff“ im Landtag
Hannover/Berlin (dpa) - Mit größtmöglicher Transparenz wolle er die Vorwürfe in der Kredit- und Medienaffäre entkräften, versprach Bundespräsident Christian Wulff vorige Woche im Fernsehen. Heute kritisieren selbst Parteifreunde, dass er das bislang nicht eingelöst hat.
Die Opposition im niedersächsischen Landtag wünscht sich aber nicht nur von Wulff Auskünfte über seine Zeit als Ministerpräsident. SPD und Grüne haben 160 Fragen an die Staatskanzlei in Hannover gerichtet, von denen sie sich Aufklärung versprechen. Die wichtigsten Komplexe:
Wie genau wird Wulffs privater Hauskredit bewertet?
In der kommenden Woche wollen die Abgeordneten im Landtag darüber diskutieren, ob Wulff mit der Annahme des 500 000-Euro-Kredits von der Unternehmergattin Edith Geerkens gegen das niedersächsische Ministergesetz verstoßen haben könnte. Im Rechtsausschuss fragte die SPD bereits, ob die aktuelle Landesregierung unter Ministerpräsident David McAllister (CDU) das Darlehen aus heutiger Sicht als Geschäftsbeziehung zwischen Wulff und Geerkens werten würde. Sie will wissen, ob die Antwort der Landesregierung auf eine entsprechende Anfrage im Februar 2010 „wahrheitswidrig“ war, weil der Kredit darin nicht erwähnt wurde.
Welche Rolle spielte die Stuttgarter BW-Bank?
Das Geldhaus, bei dem Wulff den Geerkens-Kredit durch ein neues Darlehen ablöste, soll dem Bundespräsidenten besonders günstige Konditionen eingeräumt haben. Die Opposition fragt: Hatte der frühere Regierungschef seine Einstufung als „herausgehobene Persönlichkeit“ bei der Bank einzig seinem damaligen Amt zu verdanken? Das Ministergesetz erklärt Vergünstigungen, die direkten Bezug zu einem politischen Amt haben, für unzulässig.
Hat die Affäre ein juristisches oder parlamentarisches Nachspiel?
Von einem Gang vor den niedersächsischen Staatsgerichtshof hält die SPD noch Abstand - anders als die Anti-Korruptions-Organisation Transparency International, die die Vorwürfe vom höchsten Gericht des Landes geprüft sehen will. Die Linke fordert einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss, um Zeugen unter Eid vernehmen zu können.
Machte Wulff noch häufiger Urlaub bei Managern als bisher bekannt?
SPD, Grüne und Linke verlangen Auskunft darüber, ob die von Wulff vorgelegte Liste von Urlauben bei befreundeten Unternehmern wirklich vollständig ist. Zudem soll die Landesregierung Stellung dazu nehmen, ob bei „kostenloser Überlassung“ von Ferienwohnungen ein geldwerter Vorteil entsteht. Für einen Aufenthalt Wulffs in einem Luxushotel auf Mallorca 2006 sei die Kostenfrage nicht geklärt. An seinen Nachfolger McAllister richtet sich die Frage, ob er solche Angebote ebenfalls bekam. Die Opposition will auch erfahren, warum Wulffs Freund Egon Geerkens an Delegationsreisen des damaligen Ministerpräsidenten nach China, Japan und in die USA teilnahm.
Betätigte sich die Staatskanzlei unter Wulff als Sponsoring-Werber?
Kritiker argwöhnen, dass Wulffs kurz vor Weihnachten entlassener Sprecher Olaf Glaeseker bei der Organisation von Veranstaltungen politische und private Interessen miteinander verquickt haben könnte. Im Zusammenhang mit Gratisurlauben prüft die Staatsanwaltschaft den Anfangsverdacht der Vorteilsnahme, die Landtagsopposition legt nach: Hatte Glaeseker einen Vertrag, der ihm „Nebentätigkeiten“ erlaubte? Wer war in der Regierung für die Kontakte zum Event-Manager Manfred Schmidt zuständig? Wann und wie wurde entschieden, dass Wulff als Ministerpräsident Schirmherr des Netzwerks „Nord-Süd-Dialog“ wurde?
Wie viel Einfluss hat der CDU-nahe Unternehmerverband „Club 2013“?
Die SPD-Abgeordnete Johanne Modder hatte die Funktion des Verbands bei der Vermittlung von Kontakten mit den bezahlten Terminen von Ex-NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers verglichen. Die Union wies dies zurück - das von ihr geführte Kabinett muss sich aber Nachfragen im Landtag stellen. Wie wichtig waren Parteispenden, um Zugang zu Ministern zu bekommen? Wurden Dienstwagen und Bürokapazitäten für Treffen des „Clubs 2013“ genutzt? Und gibt es eine Verbindung zwischen den Club-Aktivitäten und der Berufung der Unternehmertochter Mirja Viertelhaus-Koschig in den Aufsichtsrat der NordLB Ende 2009?