Fragen & Antworten: Krisengipfel weckt Hoffnungen
Brüssel (dpa) - „Jetzt kommt Ruhe in den Karton“ - das sagte Minister Thomas de Maizière vor mehr als einem Jahr zur Euro-Schuldenkrise. Damals wurde - nach dem Gerangel um das erste Griechenland-Hilfspaket - der Rettungsschirm EFSF für Pleite-bedrohte Euroländer aufgespannt.
Mehrere Notoperationen später versichern die Politiker abermals, die Schuldenkrise sei nun endlich gebändigt. Aber ist die junge Euro-Währung tatsächlich mit der „weichen“ Umschuldung Griechenlands gesichert? Fragen und Antworten zu diesem Thema:
Was bringt das neue Paket vom Brüsseler Krisengipfel?
Im Euroland drohte ein Flächenbrand: Italien stand kurz davor, als nächster Schuldensünder an den Rand des Abgrunds zu geraten, weil die Finanzmärkte immer höhere Zinsen verlangten. Das neue Paket beruhigt die Märkte, denn die Botschaft lautet: Wir lassen kein Euroland hängen, wir springen um jeden Preis ein. Deswegen ist der Gipfelbeschluss viel mehr als nur ein Griechenland-Paket - es ist auch ein dickes „Stopp“-Schild in Richtung Spekulation. EU-Währungskommissar Olli Rehn hob hervor, dass der Euro nun dem Druck der Märkte besser widerstehen kann.
Wird die Lage sich denn jetzt dauerhaft beruhigen?
Die bisherige Erfahrung lehrt: Jede Notoperation der EU hatte eine Halbwertzeit von wenigen Wochen - egal ob das erste Griechenland-Paket im Mai 2010 oder der Rettungsschirm EFSF wenig später oder die bislang letzte Hilfszusage für Portugal im Frühjahr 2011. Jedes Mal kam die Nervosität an die Märkte schnell zurück. Die Staats- und Regierungschefs hoffen, dass das nun anders wird. Dafür reicht aber der psychologische Faktor allein nicht aus; das eigentlich Problem muss an der Wurzel gepackt werden: Die überbordenden Staatsschulden in vielen Euroländern. Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer: „Hier lauern nach wie vor beträchtliche Risiken.“
Welche Probleme lauern in Südeuropa?
12 Jahre nach der Euro-Einführung zeigen sich schonungslos die Unterschiede in der Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaften - ähnlich wie 1990 bei der Einführung der D-Mark in der damaligen DDR, als die ostdeutsche Wirtschaft mit der harten Währung gnadenlos dem Wettbewerb des Weltmarktes ausgeliefert war. Wie der Ex-DDR mit der D-Mark fehlt auch den Italienern, Spaniern und Griechen - sogar den Franzosen - die Möglichkeit, ihre Währung abzuwerten und damit ihre Produkte in der Welt billiger anzubieten. Der Euro belastet also eher die Volkswirtschaften, die früher weichere Währungen hatten - und gerade jetzt in der Krise auch wieder heftig abwerten würden. Das Ergebnis: Länder fallen vor allem gegen Deutschland zurück. Schon 2010 kritisierte Frankreich die Deutschen für deren Exportstärke.
Wohin geht jetzt die Reise?
Wir haben 1999 zwar eine einheitliche Währungsunion bekommen - aber keine einheitliche Wirtschafts- und Finanzpolitik. Der damalige Bundesbankpräsident Hans Tietmeyer hatte schon Anfang der 90er Jahre, als die Diskussion begann, vor den Gefahren dieses Geburtsfehlers gewarnt. Jetzt, da sich die Folgen dramatisch zeigen, muss dieser Mangel behoben werden: Deswegen sollen die Euroländer künftig die gesamte Wirtschaftspolitik besser abstimmen. Und deswegen soll auch mehr Geld fließen, um die ökonomischen Unterschiede abzubauen - im Falle Griechenlands wurde das mit dem „Marshall Plan“ für Europa nach dem Zweiten Weltkrieg verglichen. Außerdem müssen sie die Chancen der Währungsunion besser nutzen - und eingegangene Verpflichtungen wirklich erfüllen. Darum wird es auch künftig keine Milliardenhilfen ohne Daumenschrauben geben.
Wäre es nicht billiger gewesen, Griechenland fallen zu lassen?
Eine Pleite Griechenlands könnte die ganze Euro-Zone in den Abgrund reißen - denn deutsche, französische und andere Banken sind mit Milliarden in Griechenland engagiert. „Was wir in diesen Zeiten aufwenden, bekommen wir um ein Vielfaches zurück“, sagt Bundeskanzlerin Angela Merkel. Zudem wäre eine Rückkehr zur Drachme für Griechenland nach Einschätzung einiger Volkswirte „ökonomischer Selbstmord“: Griechenland müsste die neue alte Währung abwerten, was die Rückzahlung der Schulden dramatisch teuer machen würde. Um Erspartes zu retten, würden die Bürger die Bank stürmen und diese gingen pleite.
Warum sollen wir für Fehler anderer mit unserem Geld geradestehen?
Zwar schließen die EU-Verträge aus, dass ein Euro-Land für ein anderes haftet. Doch unter dem Druck der Ereignisse wandelt sich das Wesen der Währungsunion. Sie wird zu einer Haftungs- oder Transferunion. Auch in Deutschland gibt es ja einen Finanzausgleich, mit dem reiche und wirtschaftlich starke Bundesländer den Schwächeren helfen. Diesen Gedanken wollen die EU-Politiker jetzt in den Köpfen der Europäer verankern. „Der Tag heute bedeutet für die Menschen in Deutschland ein Mehr an Sicherheit für unsere gemeinsame Währung und damit auch eine Grundlage für unser Wirtschaften, aber auch für den Wohlstand insgesamt“, sagte Merkel beim Gipfel. Der Euro sei mehr als eine Währung, er sei ein „Ausdruck großer Verbundenheit“ in Europa.