Fragen und Antworten: Mit Zwang zurück in die Heimat
Berlin/Niederau (dpa) - Menschen ohne Asyl-Anspruch müssen Deutschland wieder verlassen - so lautet das Mantra der Bundesregierung. Aber viele Flüchtlinge gehen nicht freiwillig. Und bei der erzwungenen Rückkehr in die Heimat hapert es auch.
Das solle sich nun ändern, sagt Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) und kündigt für die nächste Zeit verstärkte Abschiebeaktionen an.
Kommt es in den nächsten Tagen und Wochen zu Sammelabschiebungen?
De Maizière sagt, es sei nicht gleich an diesem Wochenende mit größeren Aktionen zu rechnen. „Das muss natürlich human und fair und anständig von statten gehen. Aber die Zahlen werden steigen.“ Dafür würden auch Flugzeuge gechartert und Flüge von verschiedenen Airports organisiert. Der Bund will hier helfen. An sich sind Abschiebungen aber Sache der Länder - und von dort kommen unterschiedliche Signale.
Baden-Württemberg etwa plant „rasch“ größere Sammelabschiebungen. Länder wie Hamburg, Berlin oder Mecklenburg-Vorpommern kündigen konsequentere Abschiebungen an, halten sich mit Details jedoch bedeckt. Andere erklären, sie hätten bereits in den vergangenen Monaten in großer Zahl abgeschoben und setzten außerdem sehr auf freiwillige Ausreisen. Wieder andere betonen, es werde keine Massenabschiebungen geben. „Wir verfallen nicht in Aktionismus“, sagt etwa Schleswig-Holsteins Innenminister Stefan Studt (SPD).
Wie haben sich die Abschiebezahlen denn zuletzt entwickelt?
Der Bund beklagt seit langem, dass die Länder nicht oft genug zu diesem Instrument greifen. 2010 bis 2012 lagen die Abschiebezahlen bundesweit zwischen 7000 und 8000 Fällen pro Jahr. Danach stiegen sie auf mehr als 10 000. In diesem Jahr wird die Zahl jedoch deutlich höher ausfallen. Von Anfang Januar bis Ende August gab es bereits mehr als 11 500 Abschiebungen - allein etwa 3000 davon in Nordrhein-Westfalen. Und bis zum Jahresende sollen die Zahlen noch deutlich weiter nach oben gehen.
Wie viele Menschen in Deutschland droht denn eine Abschiebung?
Derzeit leben etwa 193 000 Menschen in Deutschland, die eigentlich ausreisen müssten. Der Großteil davon (fast 142 000) sind aber Geduldete - also Menschen deren Asylantrag keinen Erfolg hatte, die aber nicht abgeschoben werden, etwa weil sie krank sind oder keine Papiere haben. Damit bleiben etwa 51 000 Menschen, die abgeschoben werden müssten. Viele Menschen verlassen aber auch freiwillig das Land. Wer das auf eigene Faust tut, landet in keiner Statistik. Wer aber finanzielle Hilfe zur Ausreise beantragt, wird erfasst. Allein das waren im laufenden Jahr mehr als 22 000 Menschen. De Maizière sagt, im laufenden Jahr seien insgesamt wohl etwa vier bis fünf Mal so viele Menschen freiwillig ausgereist als abgeschoben worden.
De Maizière sagt, nach dem Inkrafttreten des Asyl-Gesetzespakets könnten Maßnahmen zur schnelleren Rückführungen beginnen. Ändert sich durch das Gesetz denn so viel?
Das Gesetzespaket tritt bereits an diesem Wochenende - und nicht erst wie ursprünglich geplant zum 1. November - in Kraft. Es enthält nur einzelne Änderungen zu Abschiebungen. Unter anderem: Abschiebetermine werden künftig nicht mehr angekündigt, damit Betroffene nicht vorher untertauchen können. Dass Menschen sich einer Abschiebung entziehen, ist aber nur eines von mehreren Hemmnissen. Das Gesetz bringt also keine völlige Wende in der Abschiebepraxis. Die Bundesregierung bemüht sich allerdings, das Signal auszusenden: „Wir tun was“.
Was ist denn noch geplant?
Der Bundesinnenminister will andere „Abschiebehemmnisse“ abbauen - oder andersherum: Er will die Möglichkeiten für eine Duldung begrenzen. „Viele simulieren eine Krankheit, um nicht abgeschoben zu werden, sind aber gar nicht krank“, beklagt de Maizière. Helfen könne da, wenn Amtsärzte die notwendige Untersuchung für so eine Entscheidung machten. Viele Flüchtlinge hätten auch ihren Pass weggeworfen und könnten ohne Papiere nicht in die Heimat zurückgeschickt werden. Angedacht sei daher, ein europäisches Ausweisverfahren anzuwenden, um schneller Ersatzpapiere ausstellen zu können. Die Koalitionäre sind sich auch im Grundsatz einig, dass sie ein Verfahren schaffen wollen, um die Gesuche von Asylbewerbern, die voraussichtlich keinen Schutzanspruch haben, schon in Grenznähe abzuwickeln und sie von dort schnell wieder heimzuschicken.
Wie genau soll das funktionieren?
Das ist noch völlig unklar. Denn die Verhandlungen darüber laufen noch. Die SPD pocht aber darauf, dass Menschen nicht an der Grenze in Transitzonen inhaftiert werden. Die Sozialdemokraten plädieren für Registrierungsstellen in Grenznähe - und zwar in Einrichtungen, die schon bestehen oder im Aufbau sind.