F&A: Was passiert mit Ecclestone und der Formel 1?
München (dpa) - Ecclestone wird Bestechung in Millionenhöhe vorgeworfen, als die Formel 1 vor rund acht Jahren an das Investmentunternehmen CVC verkauft wurde. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Strafverfahren:
Wie lautete der Vorwurf der Staatsanwaltschaft an Ecclestone?
Er muss sich wegen Bestechung und Anstiftung zur Untreue in einem besonders schweren Fall vor Gericht verantworten. Als die Formel 1 2006 die Besitzer wechselte, soll er dem ehemaligen Vorstand der BayernLB, Gerhard Gribkowsky, 44 Millionen Dollar Bestechungsgeld gezahlt haben. Einen Großteil das Geldes soll sich Ecclestone, der schon als Kind seinen Geschäftssinn entdeckt hatte, in Form einer Beraterprovision von der BayernLB zurückgeholt haben. Der BayernLB ist dadurch laut Anklage ein Schaden von umgerechnet knapp 35 Millionen Euro entstanden.
Was bedeutet die Anklage für Ecclestone persönlich?
Für Ecclestone ist es bereits eine gefühlte Niederlage. „Das Ganze ist doch nur so ein sehr kleiner Teil meines Lebens“, das eigentlich keine Rolle spielen sollte“, sagte er jüngst. Die Leute würden schlecht über ihn reden, „ohne so richtig zu verstehen, worum es geht“, sagte er in einem ARD-Interview.
Warum hat Ecclestone Gribkowsky die 44 Millionen Dollar gezahlt?
Ecclestone fürchtete aus Sicht der Münchner Staatsanwaltschaft einen Machtverlust in der Formel 1. Wie aus der Anklage hervorgeht, wollte Ecclestone Einfluss auf die Auswahl des Käufers der Formel 1 nehmen. Deshalb zahlte er zig Millionen an Gribkowsky. Dieser sollte den britischen Investor CVC aussuchen, der Ecclestone letztlich auch wieder als Formel-1-Geschäftsführer installierte. Ecclestone stellt die Zahlung hingegen als eine Art Schweigegeld dar: Er habe befürchtet, dass Gribkowsky ihn bei den britischen Steuerbehörden anzeige und ihn deshalb „friedlich, freundlich und ruhig“ habe halten wollen, hatte er im Prozess gegen Gribkowsky ausgesagt. „Die behauptete Bestechung gab es nicht“, erklärten Ecclestones Anwälte vor Beginn des Prozesses gegen ihren Mandanten.
Woher kannte Ecclestone überhaupt Banker Gribkowsky?
Die bayrische Landesbank wollte damals ihre Mehrheitsanteile an der Formel 1 verkaufen. Bekommen hatte sie diese als Pfand für die Pleite der Kirch-Gruppe. Nur konnte die Bank nicht viel damit anfangen. Ergo sollte Gribkowsky die Beteiligung zu Geld machen. Und so kamen Gribkowsky, Risiko-Vorstand der BayernLB, und Ecclestone, stets kalkulierender Chef der Formel-1-Finanzen, 2006 immer wieder zusammen. Hinzu kam, dass Ecclestone die Banken als Besitzer der Motorsport-Königsklasse los werden wollte.
Wie hat es Ecclestone bis dahin geschafft, ein solches Imperium überhaupt aufzubauen?
Der Brite erwarb Ende der 70er Jahre die Werbe- und TV-Rechte. Damit war der Grundstein gelegt. Er gründete zudem die erste Teamvereinigung und wurde deren Präsident. Mit seinem eigenen Rennstall feierte Ecclestone 1983 sogar den Fahrer-WM-Titel. Letztlich trieb Ecclestone aber immer die Vermarktung der Formel 1 an. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Ob die neuen Motoren dem modernen Entwicklungsstand in Sachen Verbrauch oder Hybridtechnologie irgendwie Rechnung tragen, interessiert Ecclestone weniger. Was nicht richtig laut ist, ist nicht gut.
Wie wichtig ist Ecclestone heute noch für die Formel 1?
Bernie Ecclestone ist seit fast 40 Jahren die Formel 1. Er machte die Königsklasse des Motorsports von einer Rennserie für PS-Puristen zum weltweit operierenden Unternehmen. Wer ein Rennen in seinem Land haben will, muss mit Ecclestone an einen Tisch. Bei der Vertragsunterzeichnung für die Premiere in Russland in diesem Jahr stand Regierungschef Wladimir Putin stolz grinsend im Hintergrund.
Wäre die Formel 1 ohne Ecclestone handlungsunfähig?
De facto nein. Er ist nominell auch nur eingesetzt als Geschäftsführer. Wie in jedem anderen Unternehmen auch, könnte jemand anderes sein Amt übernehmen. Das Problem: Ecclestone hat sich durch seine Alleinherrschaft in fast vier Jahrzehnten praktisch unabkömmlich gemacht. Die Verhandlungspartner vertrauen ihm.
Wie würde Formel-1-Besitzer CVC im Falle einer Verurteilung reagieren?
Der Mitgründer des Investmentunternehmens CVC, das 2006 die Formel-1-Recht erwarb und Ecclestone als Geschäftsführer einsetzte, hat klare Konsequenzen für den Fall einer Verurteilung angekündigt. „Wäre bewiesen, dass Herr Ecclestone irgendetwas auf kriminelle Art und Weise falsch gemacht hat, würden wir ihn feuern“, hatte Donald MacKenzie Ende vergangenen Jahres bereits gesagt. Seit längerer Zeit wird gemutmaßt, dass eine Headhunter-Firma mit der Suche nach einem geeigneten Nachfolger beauftragt wurde.
Muss Ecclestone am Ende ins Gefängnis, so wie Uli Hoeneß?
Das gilt als unwahrscheinlich. In Justizkreisen wird nicht mit einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung für den 83-jährigen gerechnet. Falls Ecclestone verurteilt wird, hängt das Strafmaß aber auch von seinem Verhalten vor Gericht ab. Ein Geständnis wirkt sich normalerweise strafmildernd aus, weil es einen langen und aufwendigen Prozess erspart. Bei Gribkowsky kam das Geständnis nach acht Monaten Verhandlungsdauer mit unzähligen Zeugen allerdings so spät, dass es die Höhe der Haftstrafe nicht mehr stark beeinflusste. Die Richter stellen sich erstmal auf einen langen Prozess gegen Ecclestone ein: Bis Mitte September sind mehr als 20 Verhandlungstage eingeplant.
Wer wäre ein Kandidat für die Nachfolge?
Ginge es nach Ecclestone, hieße sein Nachfolger Christian Horner. Der Brite, 40 Jahre alt, ist aber als Teamchef des Weltmeister-Rennstalls Red Bull glücklich und zufrieden. Mehrfach hat Horner, Trauzeuge bei Ecclestones dritter Ehe, dies bekräftigt. Auch Sauber-Teamchefin Monisha Kaltenborn galt schon mal als Kandidatin. Auch sie lehnte schon dankend ab. Nicht wenige sind der Meinung, dass ein derartiges Unternehmen wie die Formel 1 ohnehin künftig nicht mehr von einer Person allein geführt werden kann.