Analyse Gabriel als verdeckter Vermittler am Golf
Dschidda (dpa) - Es ist ein bemerkenswerter Zeitpunkt für eine solche Reise. Und es ist typisch Sigmar Gabriel. Mitten in der Katarkrise startet der deutsche Außenminister zu einer Rundreise durch die Golf-Region.
Ein Ultimatum Saudi-Arabiens und seiner Verbündeten gegen das kleine, aber sehr reiche Emirat wurde unmittelbar vor seiner Abreise zwar noch einmal verlängert - aber nur um 48 Stunden. Gut möglich, dass der Konflikt während seines Aufenthalts weiter eskaliert.
Am Nachmittag trifft Gabriel in Dschidda ein, der saudi-arabischen Millionenmetropole am Roten Meer, auch „Tor nach Mekka“ genannt. Viel sieht er nicht von der historischen Stadt. Dafür redet er eine Stunde länger als geplant mit seinem Amtskollegen Adel Al-Dschubair. Das ist eigentlich immer ein gutes Zeichen.
Noch am Abend geht es weiter in die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), die wie Saudi-Arabien die diplomatischen Beziehungen zu Katar abgebrochen und die Grenzen zu dem Emirat dichtgemacht haben. Dritte Station ist das von den Nachbarn isolierte Katar selbst. Am Mittwoch endet die Reise in Kuwait, das zwischen beiden Seiten vermittelt.
Gabriel hat ein Gespür dafür, wie er möglichst große Aufmerksamkeit für bestimmte Themen und Botschaften gewinnen kann - und als Nebeneffekt auch für sich selbst. In seinen gut fünf Monaten im Amt hat er das schon mehrfach bewiesen, mit Aufsehen erregenden Reisen in die Türkei, nach Libyen oder in den Irak.
Jetzt also die Katar-Krise. Was kann ein deutscher Außenminister in der komplizierten Golf-Region ausrichten? In einer Vermittlerrolle sehe er sich jedenfalls nicht, wird in Gabriels Delegation auffällig häufig betont. Aber wenn man als Chefdiplomat eines der einflussreichsten Länder der Welt in einer solch angespannten Lage zwischen Konfliktparteien pendelt, ist man auf jeden Fall mehr als nur ein Bildungsreisender.
Gabriel ist so etwas wie ein verdeckter Vermittler. Jemand, der zur Verständigung zwischen den Konfliktparteien beitragen will, ohne dass es auffällt. Vor seiner Abreise empfing er einen Sondergesandten des Emirs von Kuwait in Berlin, am Ende wird er den Emir Scheich Sabah al-Ahmed al-Dschabir al-Sabah selbst sehen. Der Herrscher des kleinen Wüstenstaats hat zwar kein formelles Vermittlungsmandat, auf ihm ruhen aber viele Hoffnungen. Der Konflikt müsse in der Region selbst gelöst werden, heißt es in Gabriels Umfeld.
Der Minister hält aber auch engen Kontakt zu US-Außenminister Rex Tillerson. Dessen Chef, Präsident Donald Trump, hatte Saudi-Arabien mit seinem Aufsehen erregenden Besuch in Riad im Mai möglicherweise erst zur Katar-Blockade ermutigt. Jetzt sind aber auch die Amerikaner, die einen wichtigen Militärstützpunkt mit 12 000 Soldaten in Katar haben, um Konfliktlösung bemüht. Trumps Telefondrähte in die Region glühen: „Habe gestern mit dem König von Saudi-Arabien über Frieden im Nahen Osten gesprochen. Es passieren interessante Dinge!“, twittert er am Montag - was auch immer das heißen mag.
Zu weit wollen sich die Amerikaner aber noch nicht vorwagen. Für einen US-Außenminister dürfte eine Vermittlungsreise wohl erst in Frage kommen, wenn es auch eine realistische Aussicht auf Erfolg gibt. Gabriel kann da unbefangener agieren. Die Lösung des Konflikts erwartet niemand von ihm, deswegen gibt es auch kein Risiko des Scheiterns.
Dem Außenminister geht es vor allem darum, beide Seiten zu Gesprächen zu motivieren und klar zu machen, dass es sich nicht um ein rein regionales Problem handelt. „Der Konflikt am Golf geht nicht nur die an, die dort miteinander im Zwist liegen, sondern betrifft auch uns und unsere Interessen“, sagt er. Damit meint er vor allem den Kampf gegen die Terrororganisation Islamischer Staat (IS), in dem die Golfstaaten eine wichtige Rolle spielen, aber er meint auch eigene wirtschaftliche Interessen.
Auch vier Wochen nach Verhängung der Blockade gegen Katar zeichnet sich aber noch keine Annäherung der Kontrahenten ab. Im Gegenteil. In den vergangenen Tagen verschärfte sich der Ton noch einmal. Was immer die Gegner von sich geben klingt unversöhnlich.
Das Ultimatum, das nun noch einmal um zwei Tage verlängert wurde, hat es in sich: 13 Bedingungen soll Katar zustimmen, damit die Blockade wieder aufgehoben wird. Würde Katar den Forderungen nachkommen, käme das einer völligen Kapitulation gleich - und es widerspräche der auf größtmögliche Souveränität angelegten Außenpolitik, die das kleine Land seit zwei Jahrzehnten verfolgt. So soll das Emirat seinen Nachrichtensender Al-Dschasira schließen, der in der arabischen Welt populär, doch Saudi-Arabien und seinen Mitstreitern ein ständiges Ärgernis ist. Sie stört vor allem, dass Al-Dschasira auch Islamisten eine Bühne gibt.
Doch damit nicht genug. Katar soll seine diplomatischen Beziehungen zum schiitischen Iran zurückfahren, die türkische Militärbasis im Land schließen und alle Verbindungen zu Terrororganisationen wie dem IS oder Al-Kaida kappen. Katar blockte alle Forderungen bisher ab und will erst verhandeln, wenn seine Gegner die Blockade beendet haben.
Eine schnelle Lösung ist also nicht in Sicht. Gabriels Wunschergebnis wäre, dass die Krise mit einem echten Fortschritt im Kampf gegen den Terror endet und die Geldströme an Extremisten aus allen Golfstaaten gekappt werden. „Wenn man sich vorstellt, was die beste Lösung wäre, die herauskommen kann aus diesem Konflikt, dann glaube ich, (es ist) eine gemeinschaftliche Verabredung über die Beendigung jedweder Unterstützung terroristischer oder extremistischer Organisationen“, sagt er in Dschidda. Daran müsste sich dann nicht nur Katar, sondern auch Saudi-Arabien halten.
Vielleicht ist eine solche Vereinbarung nur ein frommer Wunsch zum Auftakt einer schwierigen Reise. Aber ein bisschen Zuversicht kann diese festgefahrene Krise gut gebrauchen.