Gerichte könnten Verfassungsgericht einschalten
Berlin (dpa) - Das Scheitern der Hartz-IV-Verhandlungen im Vermittlungsausschuss könnte nach den Sozialgerichten auch dem Bundesverfassungsgericht neue Arbeit bringen.
„Wenn ein Betroffener sein Existenzminimum einklagt, müsste nach meiner Überzeugung jedes Sozialgericht wegen der Regelbedarfe den Fall dem Bundesverfassungsgericht vorlegen“, sagte Jürgen Borchert, Vorsitzender Richter am Landessozialgericht Hessen, der „Süddeutschen Zeitung“ (Donnerstag).
Das Existenzminimum nach geltendem Gesetz entspreche nicht den Vorgaben des Grundgesetzes. „Das Bundesverfassungsgericht könnte diesen Schwebezustand mit einer einstweiligen Anordnung beenden“, sagte Borchert.
Der Rechtsprofessor Ulrich Battis sieht für Klagen der Betroffenen gute Chancen. „Das zuständige Sozialgericht würde die Angelegenheit dann direkt beim Bundesverfassungsgericht vorlegen und um Stellungnahme bitten“, sagte der Professor für Staats- und Verwaltungsrecht an der Berliner Humboldt-Universität den „Ruhr Nachrichten“ (Donnerstag). Das Verfassungsgericht könnte dann möglicherweise die eigentlich zum 1. Januar 2011 geplante Erhöhung des Regelsatzes um fünf Euro anordnen. Dafür gebe es Vorbilder.
Der Sozialverband Deutschland befürchtet eine Anhebung der Regelsätze jetzt „schlimmstenfalls erst im Juni oder danach“. Auch die SPD-Abgeordnete Gabriele Hiller-Ohm erwartet monatelange Verzögerungen für die Verbesserungen für Hartz-IV-Bezieher. „Die Regierung hat auf Zeit gespielt. Jetzt ist zu befürchten, dass der Regelsatz vielleicht erst im Juni angehoben wird und das Bildungspaket greifen kann“, sagte sie der „Bild“-Zeitung (Donnerstag).
Die Kompromisssuche von Regierung und Opposition war nach rund sieben Wochen in der Nacht zum Mittwoch gescheitert. Ein Jahr nach dem Verfassungsurteil für eine Neuberechnung der Hartz-IV-Sätze ist damit offen, wann die 4,7 Millionen Langzeitarbeitslosen und 2,5 Millionen Kinder aus armen Familien höhere Leistungen bekommen. An diesem Freitag wird der Bundesrat erneut über die Reform abstimmen. Da Union und FDP keine Mehrheit haben, ist die Wahrscheinlichkeit für ein erneutes Scheitern groß.