Porträt Gesucht: Abou-Nagie - Hassprediger mit weltweiten Kontakten
Berlin. In einer seiner jüngsten Videobotschaften begrüßt der Mann mit dem gestutzten, graumelierten Vollbart und den kurz geschnittenen Haaren seine Anhänger in Deutschland sanft mit den Worten „Meine lieben Geschwister im Islam“.
Leger mit einem weißen T-Shirt bekleidet, spricht Ibrahim Abou-Nagie auf einer Brücke in Putrajaya in die Kamera, im Hintergrund lärmt in der Verwaltungsstadt nahe Kuala Lumpur der Verkehr. Er sagt, er sei nun in Malaysia und baue jetzt auch dort eine Koran-Verteilaktion auf.
Der Mann, der in der vor gut einem Monat im Internet veröffentlichten Videobotschaft zunächst so harmlos klingt, gehört für die deutschen Sicherheitsbehörden zu den gefährlichsten islamistischen Verführern in Deutschland. Der gebürtige Palästinenser Abou-Nagie ist Kopf der Koran-Verteilaktion „Lies!“, die Innenminister Thomas de Maizière (CDU) am Dienstag als verfassungsfeindlich verboten hat.
Was der Salafist in seiner Botschaft verkündet, passt zum Konzept, mit dem der 52-Jährige nach Ansicht von Verfassungsschützern zu einem der gefährlichsten Terror-Werber im Land geworden ist.
In der gut zweiminütigen Botschaft beschreibt Abou-Nagie erst ganz harmlos, dass nun auch in Asien mit der Koranverteilung begonnen werde - um dann über Politiker Zuhause herzuziehen: „Nur in Deutschland haben wir mit barbarischen Politikern zu tun, die einfach keine Moralwerte mehr besitzen und auf Rambo spielen.“ Und er setzt nach: Wer nicht den Islam annehme, dessen Bleibe sei „die ewige Verdammung in der Hölle.“ Gut möglich, dass der Mann geahnt hat, dass seine Aktionen in Deutschland bald verboten werden.
Mit Worten wie jenen von Abou-Nagie missbrauchen Islamisten nach Ansicht der Verfassungsschützer die Religion - deswegen wurde das von ihm 2005 gegründete salafistische Predigernetzwerk „Die wahre Religion“ („DWR“) jetzt auch verboten. Es befürworte den bewaffneten Dschihad („Heiligen Krieg“) und stelle ein einzigartiges Rekrutierungs- und Sammelbecken für Islamisten dar, die sich in Syrien oder dem Irak der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) anschließen wollten, heißt es zur Begründung.
In Deutschland ist Abou-Nagie seit längerem auch der Justiz bekannt. Im Februar 2016 verurteilte das Amtsgericht Köln den Prediger zu einer Bewährungsstrafe wegen gewerbsmäßigen Betrugs. Er hatte zu Unrecht etwa 53 000 Euro an Sozialleistungen für sich und seine Familie kassiert. Zudem verschwieg der dreifache Vater Nebeneinkünfte und Konten - unter anderem verwendete er für sein Koran-Projekt eingeworbene Spenden teilweise für sich selbst.
„Spiegel Online“ hatte zum Start der „Lies!“-Aktionen in Deutschland 2012 berichtet, Abou-Nagie sei nach eigener Darstellung als 18-Jähriger aus dem Gaza-Streifen nach Iserlohn gekommen, um dort Elektrotechnik zu studieren. Erst 2003 habe er demnach ein Erweckungserlebnis gehabt und so zur wahren Religion gefunden.
Mittlerweile reicht dem Prediger Deutschland für seine gefährliche Mission nicht mehr aus. Die von ihm gegründete „Lies!“-Koranaktion ist in 15 Ländern aktiv, darunter Frankreich, Großbritannien, Schweden, Österreich, Bahrain und seit Juni 2016 auch in Brasilien. Malaysia ist sein jüngstes Projekt. (dpa)