Gesucht: Die „guten Rebellen“ in Syrien

Istanbul/Damaskus (dpa) - Die USA tun sich schwer, unter den vielen islamistischen Kämpfern in Syrien die „guten Rebellen“ zu identifizieren. Deswegen ist Obama vielleicht auch ganz froh, wenn er seinen Angriff abblasen kann.

Die Mehrheit der Bürger in den USA lehnt den Einsatz ohnehin ab.

Wenn das syrische Regime wirklich seine Chemiewaffen aufgibt, wäre das aber auch für die meisten anderen Akteure in diesem Konflikt ein perfekter Deal. Die russische Führung könnte sich profilieren, indem sie eine Militärintervention in Syrien verhindert. Für das syrische Regime wäre die Vernichtung oder Auslieferung seiner Chemiewaffen ein möglicher Ausweg aus einem drohenden Militärschlag.

Präsident Baschar al-Assad würde im Kampf gegen die Rebellen dann einfach weiter Artillerie und ballistische Raketen einsetzen, so wie er es in den Monaten zuvor getan hatte. Die einzigen Verlierer wären die Oppositionellen und die Freie Syrische Armee (FSA). Denn sie hatten gehofft, dass ihre Revolutionsbrigaden die durch einen US-Angriff geschwächten Regierungstruppen besiegen könnten.

Von dem russischen Vorschlag, das Regime solle seine Chemiewaffen aufgeben, umso einen drohenden Angriff der USA zu vermeiden, hält die syrische Opposition daher nichts. Kriegsverbrechen müssten bestraft werden. „Es reicht nicht aus, wenn der Verbrecher einfach nur die Tatwaffe übergibt“, kritisierte die Nationalen Syrische Allianz.

Dabei weiß die Opposition ganz genau, dass die zunehmend islamistische und anti-demokratische Ausrichtung vieler Rebellen-Brigaden einer der Hauptgründe für das Zögern der US-Regierung ist. Denn Obama muss sich fragen lassen, ob er, wenn er indirekt den Sturz von Assad herbeiführt, nicht den Boden für die Gründung eines intoleranten arabischen „Scharia-Staates“ bereitet, in dem für religiöse und ethnische Minderheiten kein Platz ist.

Die meisten Mitglieder der Nationalen Syrische Allianz, die ihren Sitz in Istanbul hat, wiegeln ab. Sie behaupten, die meisten Rebellen seien aufrechte Revolutionäre. Einige von ihnen hätten sich zwar wegen der ideologischen Ausrichtung der Geldgeber aus den arabischen Golfstaaten eine islamistische Fassade zugelegt. Im Herzen seien sie aber weiterhin genauso Demokraten wie die Kämpfer der von Deserteuren gegründeten Freien Syrischen Armee, die von der Allianz unterstützt wird. Doch eine Garantie dafür, dass die Indoktrination durch islamistische Gruppen keine langfristigen Folgen hat, kann auch die Opposition nicht geben.

„Wenn ein Kommandeur nicht einmal seine Kämpfer versorgen kann, die jeden Tag dem Tod ins Auge sehen, wenn er keine Waffen und keine Munition beschaffen kann, die es ihnen erlauben, auf dem Schlachtfeld eine tragende Rolle zu spielen, und wenn sie dann noch frustriert zusehen müssen, wie gut ausgerüstet die Islamisten-Brigaden sind, dann verlassen sie ihren Anführer und schließen sich den besser ausgestatteten Einheiten an, und das sind bislang ausnahmslos radikale Gruppierungen gewesen“, heißt es in einer aktuellen Studie der in Paris beheimateten Arabischen Reform-Initiative.

Inzwischen gibt es kaum noch eine große Schlacht gegen die Regierungstruppen, an der nicht die Al-Nusra-Front beteiligt ist, die von den Vereinten Nationen als Terrorgruppe eingestuft wird. In den ländlichen Gebieten von Aleppo, Deir as-Saur und Idlib wurden in den vergangenen Monaten christliche Geistliche, mehrere Ärzte, Aktivisten und sogar ein bekannter „Revolutionsdichter“ von Islamisten ermordet. Das hat der Popularität von Gruppierungen wie der Al-Nusra-Front geschadet. Die von Aussteigern aus der Islamisten-Szene gegründete Quilliam-Stiftung kommt zu dem Schluss: „Die Al-Nusra-Front sieht sich selbst als Vertreterin der sunnitischen Bevölkerung Syriens, aber das ist eine gefährliche Fehleinschätzung.“

Diese Entwicklungen machen nicht nur der US-Regierung und den Christen Sorgen, sondern auch vielen syrischen Drusen, Alawiten, Schiiten und den säkularen Regimegegnern. Viele Revolutionsaktivisten der ersten Stunde sind inzwischen sehr alarmiert. Öffentlich wollen sie aber meist nicht darüber sprechen - aus Angst, dies könnte den von ihnen immer noch herbeigesehnten Sturz des Folter-Regimes von Präsident Assad verzögern.