Gesucht wird: Der „Fingerabdruck“ einer Bombe
Washington (dpa) - Bei Terroranschlägen wie beim Boston-Marathon ist es nicht anders als bei ganz „normalen“ Verbrechen, meint Ray Kelly, der Polizeichef von New York.
„Die ersten 24 Stunden sind die wichtigsten.“ Zwei Tage tappten die Ermittler weitgehend im Dunkeln. Am Mittwochabend endlich schien der Durchbruch gelungen: US-Medien verkündeten eine erste Festnahme. Doch die Polizei dementierte umgehend. Die Verwirrung ist groß - und die Fahndung nach den Bombenlegern noch lange nicht zu Ende.
Zu erhärten scheinen sich aber andere Hinweise: Die Bomben, die drei Menschen in den Tod rissen und mehr als 180 verletzten, sind offensichtlich höchst simpler und primitiver Natur. So soll der Zünder etwa durch eine Art Eieruhr, wie man sie in der Küche benutzt, in Gang gesetzt worden sein, berichtet die „New York Times“. Das Explosivmaterial sei zusammen mit Nägeln und Metallkugeln in einen Schnellkopftopf gefüllt worden, der wiederum vermutlich in einem schwarzen Nylonrucksack versteckt wurde. Ziel sei es eindeutig gewesen, möglichst viele Menschen zu verstümmeln.
Bombenbauer von Al-Kaida dagegen gelten eher als Profis, die raffiniertere Zünder als eine Eieruhr verwenden. Immer stärker wird daher der Verdacht, dass der in den USA nicht unbekannte „home-grown terrorism“ hinter dem Anschlag steckt - einheimische Terroristen, die in blinder Wut auf Gesellschaft, Staat und Regierung zur Gewalt greifen.
Andererseits verweist Michael McCaul, Kongressabgeordneter mit Zugang zu Geheimdienstinformationen, darauf, dass der Sprengsatz Ähnlichkeiten mit Bomben auf US-Truppen im Irak und Afghanistan hätten, wie die „New York Times“ berichtet. Könnten also doch islamistische Gruppen mit im Spiel sein? Noch schweigen die Behörden zu der Frage.
Von der Machart der Sprengsätze erhoffen sich die Forensiker auch zahlreiche weitere Aufschlüsse. Gesucht wird der „Fingerabdruck“ der Bombe. „Signature of a bomb“ - wörtlich: die Unterschrift einer Bombe - heißt das Schlagwort der Experten. Simpel gesprochen bauen die Forensiker darauf, dass selbst millimeterkleine Einzelteile des zerfetzten Sprengsatzes ihnen wichtige Hinweise geben.
„Diese Hinweise werden mit Hunderten, wenn nicht Tausenden "Fingerabdrücken" von Bombenresten verglichen“, die die USA rund um die Welt gesammelt haben, so Experten. Am Ende der Puzzlearbeit könnte es dann Hinweise auf Tätergruppen geben.
Weitere Hoffnungen setzten die Ermittler auf ihre elektronischen Ohren. Zehntausende oder gar Hunderttausende Telefongespräche, E-Mails, Facebook-Nachrichten und andere Kommunikationen rund um den Globus werten die Spezialisten derzeit aus. Es gilt, das sogenannte „pre-attack chatter“ zutage zu fördern - Gespräche der Täter oder Helfershelfer, die kurz vor dem Anschlag geführt wurden.
Doch auch dies muss nicht unbedingt zu einem raschen Durchbruch führen. Beim vereitelten Anschlag des „Unterhosenbombers“ auf ein Passagierflugzeug, das sich Weihnachten 2009 beim Landeanflug auf Detroit befand, konnten die Experten auch zuvor keine Gesprächsfetzen der Drahtzieher ausmachen. Später stellte sich heraus: Es gab sehr wohl verschlüsselte Kommunikationen via Handy und Mail - die Experten hatten sie nur nicht erkannt.