Grenzenlos war gestern: Kontrollen haben große Auswirkungen
Berlin (dpa) - Das hätte man noch vor wenigen Tagen nicht für möglich gehalten: Deutschland schränkt wegen des Zuzugs vieler tausend Flüchtlinge die Freizügigkeit ein.
Vorübergehende Grenzkontrollen lässt das Schengen-Abkommen ausdrücklich zu. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu dem Thema:
Was passiert genau bei den Kontrollen?
Da gibt es nach Angaben der Bundespolizei verschiedene Möglichkeiten. In Zügen etwa kann relativ leicht eine „Vollkontrolle“ durchgeführt werden, die Beamten gehen durch die Wagen und kontrollieren jeden einzelnen Fahrgast. Auf den Autobahnen und Bundesstraßen gibt es eher Stichproben: Entweder wird die Fahrbahn auf eine Spur verengt, oder die Autos werden über einen Parkplatz geführt. Schlagbäume gibt es aber nicht. Gebäude und Sperren, die früher die Grenzen markiert haben, sind fast überall zurückgebaut worden.
Kommt es zu Staus und Verspätungen?
Die sind unvermeidlich. Am Montag gab es Staus bis 20 Kilometern auf Autobahnen in Grenznähe. Nach Bahn-Angaben müssen Reisende von Österreich nach Deutschland auch weiter mit Verzögerungen rechnen. In München hatten Züge aus Klagenfurt und Budapest zwischen 90 und 110 Minuten Verspätung.
Und wer wird kontrolliert?
„Grenzpolizeiliche Erfahrung“ ist das Schlüsselwort. Auffällig war, dass am Montag auf den Straßen Alleinreisende mit deutschem Kennzeichen meist durchgewunken wurden. Wenn ein deutscher Staatsbürger übrigens ohne Pass oder Personalausweis erwischt wird, ist das nicht so tragisch. Da gibt es viele Möglichkeiten, die Angaben zu überprüfen, sagt die Bundespolizei: etwa beim Einwohnermeldeamt. An der Weiterreise wird man deshalb in der Regel nicht gehindert, es handelt sich aber um eine Ordnungswidrigkeit.
Werden bei der Aktion auch Schleuser aufgegriffen?
Ja, nach unbestätigten Angaben sollen bis Montagnachmittag etwa 30 mutmaßliche Schleuser in Polizeigewahrsam genommen worden sein. Denn vor allem Kleinbusse, Lieferwagen und Transporter wurden gestoppt. Sicherheitskreise sprachen von „15 Großschleusungen“, ohne die Zahl der Festnahmen zu nennen. Jörg Radek, Vize der Polizeigewerkschaft GdP, hält die Aktion schon deshalb für „erfolgreich“.
Was ist das Ziel der Grenzkontrollen?
Das Bundesinnenministerium stellt fest: „Ziel dieser Maßnahme ist es, den derzeitigen Zustrom nach Deutschland zu begrenzen und wieder zu einem geordneten Verfahren bei der Einreise zurückzukehren. Das ist auch aus Sicherheitsgründen erforderlich.“ Zunächst geht es also darum, Deutschland eine Atempause zu verschaffen. Und einen ungehinderten Zugang für islamistische Gewalttäter zu unterbinden. Die Hoffnung ist, dass sich die Grenzkontrollen schnell unter den Menschen herumsprechen, die auf der Balkanroute unterwegs sind. Die Kontrollen sind aber auch ein Signal an die EU-Partner: Unsere Kapazitäten sind nicht unbegrenzt, heißt die Botschaft.
Wird der Zuzug von Flüchtlingen dadurch gestoppt?
Vielleicht verzögert, aber keinesfalls gestoppt. Niemand, der kontrolliert wird und angibt, in Deutschland Asyl beantragen zu wollen, wird zurückgewiesen. Wer den Grund Asyl nennt, muss registriert und in eine Erstaufnahme-Einrichtung oder Notunterkunft weitergeleitet werden. Wer allerdings kein Asyl sucht und ohne gültige Papiere angetroffen wird, darf nicht einreisen. Ausnahme: Deutsche Staatsbürger (siehe oben).
Wie hoch ist der Aufwand für die Kontrollen?
Ganz erheblich. Die Bundespolizei spricht von zusätzlichen Kräften im niedrigen vierstelligen Bereich. Die GdP berichtet von 21 Hundertschaften, die zusätzlich im Einsatz seien. Einige Einheiten seien direkt von den Demonstrationen am Samstag in Hamburg an die deutsch-österreichische Grenze verlegt worden. Auch die Schichten seien zum Teil von acht auf zwölf Stunden ausgeweitet worden.
Was ist die rechtliche Grundlage?
Der Schengen-Grenzkodex lässt vorübergehende Einschränkungen der Freizügigkeit zu. Bei besonderen Gefährdungslagen kann ein Staat seine Grenzen zunächst 30 Tage lang und dann maximal bis zu sechs Monate kontrollieren. Das ist auch schon öfter vorgekommen, etwa bei der Fußball-WM 2006 oder dem G7-Gipfel im Juni in Bayern.
Gibt es auch Kritik?
Unvermeidlich. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International warnt: „Flüchtlinge in Ungarn drohen im lebensgefährlichen Chaos zu versinken.“ Pro Asyl sagt: „Die Flüchtlinge werden von Deutschland behandelt wie die Bauern auf dem Schachfeld der Mächtigen.“