Harter Poker um Zypern-Rettung
Brüssel/Moskau (dpa) - Die Euro-Länder wollen Zypern mit einem raschen Kompromiss vor der drohenden Staatspleite retten. Die Finanzminister der Eurogruppe näherten sich am Freitagabend in harten Verhandlungen einer Lösung an.
Diplomaten berichteten nach rund fünfstündigen Gesprächen, es solle keinen Schuldenschnitt geben.
Stattdessen werde über komplizierte Modelle gesprochen, um in Zypern Inhaber von Bank-Konten über 100 000 Euro zu belasten. Die Unternehmensteuer soll von bisher 10 auf 12,5 Prozent steigen. Das Paket soll nach früheren Angaben von Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem einen Umfang von rund zehn Milliarden Euro haben. Im Mai droht Zypern die Staatspleite, wenn keine Rettung kommt.
Umfang und Bestandteile des Pakets waren umstritten. So fordert Finnland, dass der Internationale Währungsfonds (IWF) mitziehen müsse. Deutschland und andere Staaten bestehen darauf, dass Anti-Geldwäsche-Standards eingehalten werden. Eine unabhängige Prüfung dazu ist bereits angelaufen und soll bis Monatsende abgeschlossen werden.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) verlangte die Erfüllung von Bedingungen. „Alle unsere Programme beruhen auf den Voraussetzungen, dass die Probleme gelöst werden.“ Er verwies auf das Haushaltsdefizit und die Probleme des Bankensektors der Mittelmeerinsel. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte zuvor beim Gipfel ein Hilfsprogramm grundsätzlich in Aussicht gestellt: „Einfach Zypern sich selbst zu überlassen und mal zu gucken, was passiert, wäre aus meiner Sicht nicht verantwortlich.“
Die Finanzminister bekamen die Bestandsaufnahme der Troika aus EU, Europäischer Zentralbank EZB und IWF zu Zypern. Nikosia hatte Ende Juni Geld vom europäischen Rettungsschirm beantragt. Bis vor kurzem war noch von rund 17,5 Milliarden Euro gesprochen worden. Zypern versicherte, man werde sich strikt an die Abmachungen für ein Hilfsprogramm halten.
Auch Russland bindet bilaterale Finanzhilfen für das klamme Land an Bedingungen. So sollten die Banken des EU-Mitglieds Informationen herausgeben über russische Geldanlagen und Unternehmen, sagte Moskaus Finanzminister Anton Siluanow laut Agentur Interfax. Der Kreml stört sich zunehmend daran, dass Kapital in Milliardenhöhe aus Russland abfließt und will erreichen, dass russische Unternehmen ihr Geld in der Heimat anlegen.
Der zyprischen Finanzminister Michalis Sarris verschob seine für Montag geplante Reise nach Moskau nach Angaben aus Nikosia auf Mittwoch. Zypern will Russland auch eine längere Frist für einen früheren Kredit über 2,5 Milliarden Euro abringen.
In Deutschland müsste der Bundestag einem europäischen Hilfspaket zustimmen. Die SPD fordert, Eigentümer sowie Gläubiger und Kunden der Banken müssten einen maßgeblichen Beitrag leisten. Die EZB ist bisher dagegen, private Bankkunden in Zypern für die Rettung des Finanzsektors bluten zu lassen. In der EU garantiert der Staat alle Spareinlagen bis zu 100 000 Euro.
„Man muss eine Lösung suchen, die nicht einem plumpen Haircut entspricht“, mahnte der luxemburgische Premier und frühere Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker mit Blick auf die Debatte um einen möglichen Schuldenschnitt (Haircut). Die Eurogruppe hatte mehrfach versichert, dass die Beteiligung von Privatgläubigern wie Banken oder Fonds bei der Griechenland-Rettung ein Einzelfall bleiben werde. Insbesondere der IWF dringt darauf, die Staatsschuld, die mit dem Programm auf bis 140 Prozent der Wirtschaftsleistung steigen, strikt zu begrenzen.
Rund ein Drittel der Einlagen in Zypern sind in der Hand ausländischer Kontoinhaber - vor allem reicher Russen und Briten. Der Bankensektor gilt als überdimensioniert. Seit längerem halten sich Vorwürfe, Zypern locke mit niedrigen Firmensteuern und einer lockeren Finanzaufsicht Schwarzgeld an. Zypern bestreitet dies. Die Mittelmeerinsel ist zweitgrößter Auslandsinvestor in Russland.