Hintergrund: Der schnelle Weg zu EU-Vertragsänderungen
Brüssel (dpa) - Die Änderung des EU-Vertrages ist mühsam und langwierig. Zwei Möglichkeiten gibt es. Und auch eine dritte, weniger mühsame und sehr viel schnelle, die findige EU-Juristen nutzen möchten.
Die „klassische“ Änderung erfolgt im „ordentlichen Änderungsverfahren“. Dieses sieht die Einberufung eines Konvents vor, in dem neben den Regierungen auch Vertreter der nationaler Parlamente, des Europaparlaments und der EU-Kommission an der Ausarbeitung der Änderungsentwürfe beteiligt sind. Änderungen im ordentlichen Verfahren müssen von allen Mitgliedstaaten beschlossen und anschließend auch ratifiziert werden.
Außerdem gibt es das „vereinfachte Änderungsverfahren“. Dies ist nur möglich, wenn die Zuständigkeiten der EU nicht ausgedehnt werden. Eine solche Änderung tritt „nach Zustimmung der Mitgliedstaaten im Einklang mit ihren jeweiligen verfassungsrechtlichen Vorschriften“ in Kraft. Beide Wege sind langwierig.
EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy hat jetzt eine Änderung der Verträge auf einer Art schnellem Umweg ins Gespräch gebracht. Kernpunkt ist Artikel 126 des EU-Vertrags, der mit dem Satz beginnt: „Die Mitgliedstaaten vermeiden übermäßige öffentliche Defizite.“ Dieser Artikel enthält die Regeln für den Stabilitäts- und Wachstumspakt, der Verschuldung und Defizite begrenzt. Die dazu gehörenden Zahlen (beispielsweise 3 Prozent Defizit, 60 Prozent Schulden) befinden sich gemeinsam mit anderen Details jedoch nicht in Artikel 126, sondern im „Protokoll Nummer 12“, das sich im Anhang des eigentlichen Vertrages befindet.
Artikel 126 sieht in Absatz 14 vor, dass das „Protokoll Nummer 12“ vom Rat einstimmig „nach Anhörung des Europäischen Parlaments sowie der Europäischen Zentralbank“ geändert werden kann. Die Zustimmung des Parlaments oder eine Ratifizierung sind nicht erforderlich. Allerdings ist es durchaus umstritten, ob eine Änderung des EU-Primärrechts durch ein Protokoll rechtlich zulässig ist. Berlin spricht von einer „typischen Brüsseler Trickliste“.
Als vierte Variante wäre ein völlig neuer völkerrechtlich verbindlicher Vertrag denkbar. Dieser könnte beispielsweise in den noch nicht unterschriebenen Vertrag über den ständigen Rettungsfonds ESM eingebaut werden.