Hintergrund: Der Werkzeugkasten der EZB

Frankfurt/Main (dpa) - Die Europäische Zentralbank (EZB) und ihr neuer Präsident Mario Draghi haben eine Schlüsselrolle. EU-Diplomaten gehen davon aus, dass Draghi bereit ist, viel offensiver als bisher gegen die Schuldenkrise vorzugehen - vorausgesetzt, die EU-Lenker verständigen sich auf erheblich schärfere Spielregeln zur Sanierung der Staatsfinanzen.

Doch wie groß ist der Handlungsspielraum der EZB? Und welche Instrumente stehen ihr zur Verfügung?

- Zinserhöhungen oder -senkungen

Mit der Veränderung des Leitzinses reagiert die EZB in erster Linie auf die Inflation im Euro-Raum. Steigen die Preise deutlich, zieht die Notenbank die geldpolitischen Zügel in der Regel an. Lässt die Teuerung nach, steigt der Spielraum für Zinssenkungen. Die Zinspolitik ist normalerweise das herausragende Instrument der Notenbank. In Krisenzeiten greift sie aber auch zu unkonventionellen Maßnahmen.

- Ankauf von Wertpapieren

Nach dem Ausbruch der Euro-Schuldenkrise 2010 hat die EZB die Notenpresse angeworfen, um im großen Stil Staatsanleihen von Euro-Krisenstaaten zu kaufen. Die Währungshüter reagieren damit auf steigende Renditen für Anleihen der Schuldensünder. Für Portugal, Irland, Griechenland und zuletzt auch für Spanien und Italien war es dadurch teurer geworden, sich frisches Geld zu besorgen. Kritiker werfen den Währungshütern vor, die klare Trennung zur Politik zu verwischen, indem sie Geld drucken, um die Staatspapiere zu kaufen - also um Schulden zu finanzieren. Die EZB weist dies zurück. Sie wolle mit dem Programm nur die Wirkung ihrer Geldpolitik sicherstellen. Künftig soll der europäische Rettungsschirm EFSF Anleihen kaufen können.

- Liquidität

Seit dem Ausbruch der Finanzkrise vor drei Jahren versorgt die EZB die Banken großzügiger mit Geld als sonst. Sie stellt ihnen Kredite mit verschiedenen - teilweise ungewöhnlich langen - Laufzeiten zur Verfügung. Zuletzt drehte die EZB den Geldhahn wieder weit auf, weil die Kreditinstitute - wie nach der Lehman-Pleite 2008 - zögern, sich gegenseitig Geld zu leihen. Kritiker werfen der Notenbank vor, den Markt mit Geld zu fluten und damit neuen Finanzspekulationen Vorschub zu leisten.

- Intervention an Devisenmärkten

Starken Wechselkursschwankungen können die Notenbanken mit dem Kauf oder Verkauf von Devisen begegnen. Die EZB setzte dieses Instrument im Jahr 2000 ein, als der Euro gegenüber dem Dollar einen Schwächeanfall erlitt. Bei massiven Attacken gegen eine Währung können allerdings auch Notenbanken in die Defensive geraten. So wettete der legendäre Hedge-Fonds-Gründer George Soros im Jahr 1992 erfolgreich gegen das britische Pfund und zwang die Bank of England in die Knie.

- Tauschgeschäfte

Ende November versetzten die EZB und andere wichtige Notenbanken die Märkte in Verzückung: Ein gemeinsamer Entschluss erlaubt es der EZB, europäischen Geschäftsbanken US-Dollar günstiger zu leihen als bisher. Die Dollar bekommt die EZB im Tausch gegen Euro etwa von der US-Notenbank. Hintergrund der Aktion ist, dass die in den USA tätigen europäischen Banken gegen Sicherheiten wie europäische Staatsanleihen oder eigene Anleihen zuletzt kaum noch Dollar erhielten. Die Notenbanken wollen mit der Aktion die Spannungen an den Finanzmärkten abbauen und so die negativen Folgen auf die Kreditvergabe an Privathaushalte und Unternehmen abmildern. Das wiederum soll die Konjunktur stützen.

- Kommunikation

EZB-Präsident Mario Draghi ist, wie seinen Vorgängern Jean-Claude Trichet und Wim Duisenberg, besondere Aufmerksamkeit gewiss, wann immer er sich äußert. Manchmal reicht schon die Andeutung, dass die Notenbank aktiv werden könnte, um Spekulationen etwa auf den Devisenmärkten zu beenden. Zugleich ist die EZB bemüht, die Märkte mit ihren Zinsentscheidungen nicht unnötig zu überraschen. Die EZB will - zumindest für Finanzprofis - berechenbar bleiben, damit nicht starke Wechselkurs- oder Aktienkursschwankungen das Vertrauen der Bürger in die Gemeinschaftswährung Euro erschüttern.