Hintergrund: Die Pannen bei der Neonazi-Fahndung
Berlin (dpa) - Warum flog das Zwickauer Trio, auf dessen Konto mindestens zehn Morde gehen sollen, nicht früher auf? Oft werden Pannen bei den Ermittlungen dafür verantwortlich gemacht. Ein Überblick über Versäumnisse in den Bundesländern:
THÜRINGEN: 1998 fand die Polizei in Jena in einer Garage des Trios des rechtsextremen Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) Rohrbomben und Sprengstoff. Die Gruppe um Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe konnte aber trotz eines Haftbefehls und der Beobachtung durch den Verfassungsschutz untertauchen. Innenminister Jörg Geibert räumte ein, es sei „nicht alles optimal gelaufen“. Eine Untersuchungskommission soll jetzt Versäumnisse aufdecken. 2003 wurde die Suche nach den Drei wegen Verjährung aufgegeben. Nach Medieninformationen sollen Fahnder die Männer Mundlos und Böhnhardt 2001 im sächsischen Chemnitz aufgespürt haben. Warum es keinen Zugriff gab, ist unklar.
NIEDERSACHSEN: Der Thüringer Verfassungsschutz informierte 1999 die Kollegen in Niedersachsen über Holger G., den mutmaßlichen Unterstützer des Terror-Trios. Es gehe um Rechtsterrorismus. Die Fahnder beobachteten den 37-Jährigen zwar und erstatteten Thüringen Bericht - die Informationen legten sie aber zu den Akten. Drei Jahre später wurden sie gelöscht.
BADEN-WÜRTTEMBERG: Wieder steht Holger G. im Fokus: Die Polizei soll bei der Fahndung nach den Mördern der Polizistin Michéle Kiesewetter in Heilbronn am Tattag im April 2007 ein Wohnmobil mit einem Kennzeichen aus Ostdeutschland registriert haben. Der Mieter soll der 37-jährige Komplize des Trios gewesen sein. Das LKA weist eine Panne zurück: „Es hat damals keine Hinweise auf ein Fluchtfahrzeug gegeben“, sagte Sprecher.
NORDRHEIN-WESTFALEN: Die Phantombilder der Verdächtigen eines Nagelbomben-Anschlags in Köln 2004 wiesen offenbar große Ähnlichkeit zu den Bildern der mutmaßlichen Mörder eines türkischstämmigen Mannes in Nürnberg auf. Eine Verbindung wurde aber nicht gezogen. Die Fahndungsbilder wurden nicht mit bundesweiten Bilddateien von Rechtsextremisten abgeglichen. Weil die Täter Fahrräder nutzten, glaubte man, sie kämen aus der Region - im Rückblick war das falsch. Zwar waren damals Kölner Ermittler nach Nürnberg gereist, sie hatten dort aber keine Zusammenhänge feststellen können.
HESSEN: Die Rolle des Verfassungsschützers, der beim Mord im April 2006 in Kassel in einem Internetcafé am Tatort saß, ist weiter unklar. Der Mann hatte sich nach eigenen Angaben nicht als Zeuge gemeldet, weil er auf Sexseiten surfte. Ermittlungen konnten den Verdacht einer Verwicklung in die Tat nicht erhärten. Die Staatsanwaltschaft Kassel wies Berichte zurück, nach denen der Beamte an weiteren Tatorten gewesen sein soll. Der 2006 suspendierte Verfassungsschützer soll nach Informationen von „bild.de“ jahrelang einen V-Mann beim rechtsextremen Thüringer Heimatschutz geführt haben. In seiner Jugend hatte der Mann eine rechte Gesinnung.