Hintergrund: Herausforderungen und Erwartungen
Berlin/Rom (dpa) - Mit dem neuen Papst sind viele Erwartungen verknüpft. Frischer Wind für die katholische Kirche, Verbesserungen für die Ökumene, mehr interreligiöser Dialog - das Spektrum der Wünsche und Hoffnungen ist groß.
- Deutschlands PROTESTANTEN hoffen auf neuen Schwung für die Ökumene. Die lebe zwar vor allem in den Gemeinden und Initiativen vor Ort, sagte der Ökumene-Experte der evangelischen Kirche, Braunschweigs Bischof Friedrich Weber, der Nachrichtenagentur dpa. Die evangelischen Kirchen erwarteten aber, dass der neue Papst als Brückenbauer ganz neu den Kontakt zu den reformatorischen Kirchen sucht. Das ökumenische Netzwerk „Kirche von unten“ erwartet „nicht allzu viel“ von Papst Franziskus.
- Der Zentralrat der JUDEN in Deutschland setzt auf eine Fortsetzung des katholischen-jüdischen Dialogs. Der Kurs der Annäherung, der Freundschaft und des Vertrauens zwischen Christentum und Judentum sollte weiter verstärkt werden, erklärte Zentralratspräsident Dieter Graumann.
- Der Zentralrat der MUSLIME in Deutschland will die interreligiöse Zusammenarbeit auch mit dem neuen Papst Franziskus fortsetzen. „Wir hoffen auf fruchtbare Dialoge und weitere Impulse“, sagte der Vorsitzende Aiman Mazyek der Nachrichtenagentur dpa. Und: „Wir hoffen, dass er stets seine Stimme erhebt für die Armen und Unterdrückten und schonungslos Dinge benennt, wenn Menschenrechte wie in Syrien mit Füßen getreten werden.“
- Die RUSSISCH-ORTHODOXE KIRCHE hofft auf bessere Beziehungen zum Vatikan. „Er hat nicht nur einmal seine spirituelle Sympathie für die orthodoxe Kirche bekundet“, sagte Metropolit Ilarion, der als „Außenminister“ des Moskauer Patriarchats gilt. Kirchenvertreter in Moskau lobten die konservative Haltung des neuen Heiligen Vaters in Fragen wie bei seiner kategorischen Ablehnung der Homo-Ehe. Zuletzt hatte sich das Verhältnis zwischen beiden Kirchen schon verbessert.
- Deutsche BISCHÖFE erwarten von Papst Franziskus neue Akzente bei der Verbreitung des Glaubens. „Es ist ein anderer Stil, eine andere Art und Weise, das Evangelium noch einmal ganz frisch und neu den Menschen nahe zu bringen“, sagte der Erzbischof von München-Freising, Kardinal Reinhard Marx. Der Berliner Kardinal Rainer Maria Woelki sagte: „Ich denke, dass er versuchen wird, auch in der Kurie einen neuen Stil hineinzubringen.“ Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, sprach von einem Zeichen für den Glauben und die Kirche.
- Die ultrakonservativen PIUSBRÜDER reagierten zurückhaltend. „Die Priesterbruderschaft St. Pius X. bittet Gott anlässlich der Wahl von Papst Franziskus, dem neuen Oberhirten in reichem Maß die notwendigen Gnaden zu gewähren, die für die Ausübung seiner schweren Bürde notwendig sind“, schrieb die abtrünnige Bruderschaft in einer Mitteilung. Auf die theologischen Konfliktthemen mit dem Vatikan ging sie nicht ein.
- Die REFORMINITIATIVE „Wir sind Kirche“ forderte „einen Reformprozess, der Ungerechtigkeit, Willkür und den institutionellen Zentralismus beendet“. Nötig sei unter anderem eine Wahrheits- und Versöhnungskommission, um den sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche aufzuarbeiten. „Wir brauchen eine Reform des Vatikans und mehr Rechte für die Ortskirchen.“ Zudem müsse es in der Kirche gleiche Rechte für Frauen und Männer geben.
- Nach Ansicht des Freiburger KIRCHENEXPERTEN Ulrich Ruh kann sich der neue Papst als Erneuerer der katholischen Kirche erweisen. „Er steht für eine sozial engagierte und sensible Kirche“, sagte der Chefredakteur der renommierten theologischen Fachzeitschrift „Herder Korrespondenz“ der Nachrichtenagentur dpa. „Die Reformer haben Grund, ihn als Chance zu sehen.“
- Die Deutsche Provinz der JESUITEN reagierte überrascht auf die Wahl von Kardinal Jorge Mario Bergoglio zum neuen Papst. „Normalerweise strebt kein Jesuit nach Ämtern und Würden in der Kirche. Er verweigert sich aber auch nicht, wenn er in den Dienst gerufen wird“, hieß es in einer Mitteilung. Bergoglio ist Jesuit.