Hintergrund: „Kalte Progression“ und „Mittelstandsbauch“

Berlin (dpa) - Nahezu alle Parteien versuchen seit Jahren, das Problem der „kalten Progression“ und des „Mittelstandsbauchs“ zu mildern, ohne dass es gigantische Löcher in die Staatskassen reißt.

Dabei handelt es sich um zwei unterschiedliche Probleme des geltenden Einkommensteuer-Tarifsystems, die aber beide Folge progressiv steigender Steuersätze sind. Ziel ist es grundsätzlich, dass nicht jeder zusätzlich verdiente Euro so stark belastet wird wie bisher. Dazu könnte der Tarifverlauf geändert werden. Schon unter der Großen Koalition gab es eine Entlastung, weil Eckwerte der Tarifkurve - wie womöglich jetzt erneut geplant - nach rechts verschoben wurden.

Der steuerliche Grundfreibetrag beträgt derzeit 8004 Euro im Jahr. Wer darunter liegt, muss keine Steuern zahlen. Für jeden über dem Grundfreibetrag verdienten Euro ist ein eigener, höherer Steuersatz fällig. Er fängt für Ledige mit 14 Prozent bei einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 8005 Euro an und beträgt von 52 882 Euro an 42 Prozent. Bei Top-Verdienern ist von über 250 000 Euro an (Ledige) eine „Reichensteuer“ von 45 Prozent fällig.

Die „kalte Progression“ ist eine Art heimliche Steuererhöhung - Lohnzuwächse werden durch die höhere Einkommensteuerbelastung zu großen Teilen aufgezehrt. Der progressive Einkommenssteuertarif führt dazu, dass der Steuerzahler einen zunehmenden Anteil des Einkommens an den Fiskus abzuliefern hat.

Bei niedrigeren Einkünften schlägt dies durch den anfangs starken Tarifanstieg deutlich stärker zu Buche als bei hohen Einkünften. Besonders problematisch ist dies, wenn mit nominalen Lohnerhöhungen lediglich die Preissteigerung ausgeglichen wird (Inflation) und dann allenfalls der Fiskus profitiert.

Von der Debatte um die Beseitigung der „kalten Progression“ zu unterscheiden ist die geforderte Glättung des „Mittelstandsbauchs“. Der entsteht, weil der progressive Steuertarif zwischen 14 und 42 Prozent nicht gleichmäßig steigt, sondern bis zu einem Einkommen von 13 469 Euro sehr steil. Bereits von 13 470 Euro an verlangt der Fiskus rund 24 Prozent (23,97 Prozent). Nach diesem „Knick“ verläuft die Kurve wesentlich flacher, bis bei 52 882 Euro 42 Prozent gelten. Folge ist, dass vor allem kleinere und mittlere Einkommen im Vergleich zu höheren Einkommen proportional höher belastet werden.

Eine vollständige Begradigung der Tarifkurve würde nach früheren Berechnungen zu Steuermindereinnahmen für den Staat von 25 Milliarden Euro führen. Eine „Glättung“ und Abflachung der Kurve wäre billiger und würde auch das Problem der „kalten Progression“ mindern.

Die CSU hatte Anfang des Jahres ein Konzept vorgelegt, wonach die Steuertarife leicht gesenkt werden. Davon sollten Jahreseinkommen zwischen 15 000 und 32 500 Euro (Ledige) prozentual am meisten profitieren, bei Verheirateten würden vor allem Einkommensgruppen zwischen 27 500 und 65 000 Euro entlastet.

Absolut würde ein Single nach dem CSU-Plan mit einem zu versteuernden Einkommen von 15 000 Euro um 50 Euro im Jahr entlastet, bei 32 500 Euro wären es 192 Euro. Verheiratete würden bei Einkommen von 27 500 Euro um 78 und bei 65 000 Euro um 384 Euro entlastet.