Hintergrund: Putin-Kritiker im Visier der Justiz

Moskau (dpa) - „Für die Freunde alles - für die Feinde das Gesetz“ - sagt auch eine russische Redensart: Wer sich in Russland mit den Mächtigen anlegt, bekommt es auffällig oft mit der Justiz zu tun.

Die Gerichte stehen im Ruf, der verlängerte Arm der Politik zu sein. Der jetzt verurteilte Anwalt und Blogger Alexej Nawalny ist nur ein Beispiel von vielen. Derzeit sitzen mehrere scharfe Kritiker von Kremlchef Wladimir Putin in Haft, stehen unter Hausarrest oder sind aus Russland geflüchtet. Einige sind auch tot. Ein Überblick:

ALEXEJ NAWALNY: Der 37-Jährige ist wegen Veruntreuung zu fünf Jahren Haft verurteilt worden. Der Blogger, der im September Bürgermeister von Moskau werden wollte, hat immer wieder Korruption auch in politischen Kreisen aufgedeckt. Von ihm stammt die Parole „Partei der Gauner und Diebe“ für die Kremlkraft Geeintes Russland.

MICHAIL CHODORKOWSKI: Seit fast zehn Jahren sitzt der einst reichste Mann Russlands wegen Geldwäsche, Öldiebstahls und Unterschlagung hinter Gittern. Anders als die meisten Oligarchen hatte sich der 50-Jährige in die Politik eingemischt und die Opposition finanziert. Sein Ölunternehmen Yukos wurde zerschlagen.

PUSSY RIOT: Zwei Frauen der kremlkritischen Punkband sitzen wegen „Rowdytums aus religiösem Hass“ im Straflager. Sie hatten im Februar 2012 in der wichtigsten orthodoxen Kathedrale gegen Putin protestiert. Die Haftzeit für die jungen Mütter Maria Aljochina und Nadeschda Tolokonnikowa endet im März 2014. Sie beklagen eine politische Allianz von Kreml und Kirche.

GARRI KASPAROW: Der Ex-Schwachweltmeister kehrt aus Angst vor politischer Verfolgung nicht in seine Heimat zurück. Der 50-Jährige hat immer wieder an Protesten gegen Putin teilgenommen und gilt als treibende Kraft der liberalen Opposition. Sein Internetportal kasparov.ru verbreitet rund um die Uhr kremlkritische Berichte.

SERGEJ UDALZOW: Seit Monaten steht der Chef der Linken Front unter Hausarrest. Gegen ihn wurde ein vollständiges Kontaktverbot verhängt. Dem 36-Jährigen drohen zehn Jahre Haft wegen Planung blutiger Massenunruhen in Moskau. Der Mann mit dem markant geschorenen Schädel hat mehrere Großdemonstrationen gegen Putin mitorganisiert.

DER BOLOTNAJA-FALL: Fast 30 Oppositionellen wird wegen Beteiligung an Massenunruhen der Prozess gemacht - ihnen drohen lange Haftstrafen. Die Verdächtigen, die aus verschiedenen politischen Lagern stammen, sollen am 6. Mai 2012, dem Vorabend von Putins Amtseinführung, in Moskau bei einer Großdemonstration Polizisten angegriffen haben.

JEWGENI URLASCHOW: Der Bürgermeister der Großstadt Jaroslawl sitzt wegen Korruptionsvorwürfen in Untersuchungshaft. Als einer von nur wenigen regierungskritischen Stadtoberhäuptern wollte der 36-Jährige bei der Kommunalwahl am 8. September ein breites Bündnis gegen die Kremlpartei Geeintes Russland anführen.

TOTE KRITIKER: Die Journalistin Anna Politowskaja galt als scharfe Kremlgegnerin, bis sie am Tag von Putins Geburtstag (7. Oktober) 2006 vor ihrer Wohnung in Moskau erschossen wurde. 2009 wurde ihre Freundin, die Menschenrechtlerin Natalia Estemirowa, getötet. Weil beide auch Kriegsverbrechen in der Teilrepublik Tschetschenien aufdeckten, vermuten Ermittler eine nordkaukasische Spur.