Hintergrund: Verbrechen gegen die Menschlichkeit
Berlin (dpa) - Der Attentäter von Oslo, Anders Behring Breivik, könnte nach Auffassung norwegischer Juristen möglicherweise wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt werden.
Hierfür käme Paragraf 102 des norwegischen Strafgesetzbuches zur Anwendung, der unter anderem die Verfolgung von Menschen aus politischen Gründen umfasst. Das Strafgesetzbuch sieht hierfür eine Höchststrafe von 30 Jahren Haft vor. Der im Fall Breivik bisher von der Justiz verwendete Terror-Paragraf sieht ein Strafmaß von maximal 21 Jahren vor.
Paragraf 102 gibt es erst seit 2008. Die Verfügung wurde ins norwegische Strafgesetzbuch aufgenommen, um völkerrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen. Konkret geht es um Artikel 7 des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs, der damit in norwegisches Recht umgesetzt wurde. Er ist bisher nicht angewendet worden.
Verbrechen gegen die Menschlichkeit werden laut dem Römischen Statut als Handlungen gegen die Zivilbevölkerung im Rahmen eines ausgedehnten oder systematischen Angriffs definiert. Sie umfassen etwa vorsätzliche Tötung, Ausrottung, Versklavung, Vertreibung, Freiheitsentzug, Folter, Vergewaltigung, sexuelle Sklaverei und die Verfolgung aus politischen, rassischen, nationalen, ethnischen, kulturellen oder religiösen Gründen.
Das Römische Statut setzt zur Strafverfolgung eine Beteiligung des Staates an Verbrechen gegen die Menschlichkeit voraus. Diese Voraussetzung wurde jedoch nicht in norwegisches Recht umgesetzt. Von daher könnte der norwegische Paragraf 102 im Fall Breivik zur Anwendung kommen, argumentieren norwegische Strafrechtler. Es sei jedoch eine Frage der Auslegung. Ein Strafverteidiger könnte dagegen halten, dass der Paragraf eben internationales Recht umsetze, in dem ausdrücklich von einer Beteiligung des Staates ausgegangen werde. Und das sei in diesem Fall nicht gegeben.