Hintergrund: Was im Koalitionsvertrag steht
Berlin (dpa) - Der Koalitionsvertrag von Union und SPD - ein Überblick zu den acht Kapiteln:
1. Wachstum, Innovation und Wohlstand
Drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts sollen in Forschung und Entwicklung fließen. Über genehmigte Rüstungsexporte soll der Bundestag besser unterrichtet werden. Über Managergehälter soll die Hauptversammlung eines Konzerns entscheiden.
Programme für Wissenschaft und Forschung sollen fortgesetzt, gute Lehre an Hochschulen soll gefördert werden. Die Lkw-Maut soll auf alle Bundesstraßen ausgeweitet werden. Ein Gesetz für eine Pkw-Maut für Ausländer soll 2014 kommen. Kommunen sollen beim Breitbandausbau unterstützt werden - Ziel: eine flächendeckende Versorgung.
Bei der Energiewende soll der Ökostromanteil auf 40 bis 45 Prozent im Jahr 2025, auf 55 bis 60 Prozent 2035 steigen. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz soll geändert werden. Bei der Windkraft wird das Ausbauziel begrenzt. Laufende Windkraft-, Biomasse- und Solaranlagen bekommen weiter 20 Jahre lang feste Vergütungen. Kohle- und Gas-Kraftwerke können Subventionen erhalten. Bis 2020 soll der Stromverbrauch weiter um zehn Prozent gesenkt werden.
2. Vollbeschäftigung, gute Arbeit und soziale Sicherheit
Geringqualifizierte und Langzeitarbeitslose sollen verstärkt in Arbeit vermittelt werden. Im Fall einer Krise soll Kurzarbeit wieder gefördert werden. Zum 1. Januar 2015 soll ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro brutto kommen. Abweichungen sollen bis Ende 2016 möglich sein. Die Höhe wird regelmäßig von einer Kommission überprüft. Missbrauch bei Werksverträgen soll verhindert, Leiharbeit nach neun Monaten beim Lohn gleichgestellt werden. Wer etwa wegen Erziehung oder Pflege befristet in Teilzeit geht, erhält ein Rückkehrrecht.
Langjährig Versicherte können ab 1. Juli 2014 nach 45 Beitragsjahren mit dem vollendeten 63. Lebensjahr abschlagsfrei in Rente gehen. Dieser Renteneintritt soll schrittweise auf 65 Jahre steigen. Die Zurechnungszeit bei der Erwerbsminderungsrente wird in einem Schritt um zwei Jahre angehoben. Es soll eine solidarische Lebensleistungsrente geben. Ab Juli 2014 soll bei Müttern und Vätern mit vor 1992 geborenen Kindern die Erziehung mit einem zusätzlichen Rentenpunkt besser berücksichtigt werden (Mütterrente).
Die Qualität von Arztpraxen und Kliniken soll von einem neuen Institut mit einer Vielzahl von Daten besser ermittelt werden. Kliniken sollen im Internet vergleichbar werden. Facharzttermine sollen binnen vier Wochen vergeben werden. Der Beitragssatz für die Krankenversicherung wird bei 14,6 Prozent fixiert; brauchen Kassen mehr, tragen das die Versicherten über prozentuale Zusatzbeiträge. Der Pflegebeitrag soll in zwei Schritten um 0,5 Punkte steigen, ein Fünftel fließt in eine neue Kapitalrücklage (Pflegevorsorgefonds).
3. Solide Finanzen
Schuldenbremse, europäischer Fiskalpakt und Stabilitätskriterien sollen eingehalten werden. Die Koalition will die Schuldenquote von 81 Prozent bis Ende 2017 auf unter 70 und binnen zehn Jahren auf unter 60 Prozent senken. Ab 2015 soll es keine neuen Schulden geben.
Der Bund will die Kommunen um Kosten von fünf Milliarden Euro jährlich bei der Hilfe zur Eingliederung von Menschen mit Behinderung entlasten. Die Länder sollen in Höhe von sechs Milliarden bei Kitas, Schulen und Hochschulen entlastet werden. Mittel für den Ausbau der Kinderbetreuung sollen bei Bedarf erhöht werden. Weitere Prioritäten: fünf Milliarden Euro mehr für Verkehrsinfrastruktur, 600 Millionen Euro für die Städtebauförderung, zwei Milliarden Euro für Entwicklungshilfe, zwei Milliarden Euro mehr für die Rentenkasse, 1,4 Milliarden Euro mehr für die Eingliederung Arbeitssuchender.
Vorausgefüllte Steuererklärungen sollen das System einfacher machen.
Europäische Bankenunion: Schwarz-Rot will sich für den Aufbau einer europäischen Abwicklungsbehörde für systemrelevante Banken und eines einheitlichen europäischen Abwicklungsfonds einsetzen.
4. Zusammenhalt der Gesellschaft
Ein weiteres Investitionsprogramm soll es für den Rechtsanspruch für Kindertagesbetreuung geben. Die 36 Monate Elternzeit können flexibler gestaltet werden. Dafür dürfen künftig 24 statt 12 Monate genommen werden. Mit einem „ElterngeldPlus“ soll bis zu 28 Monate Elterngeld mit Teilzeittätigkeit kombiniert werden können. Aufsichtsräte sollen ab 2016 eine Frauenquote von mindestens 30 Prozent aufweisen. Rechtliche Schlechterstellung von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften sollen enden.
Für in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern entfällt in Zukunft der Optionszwang zur Festlegung auf einen Pass, die Mehrstaatigeit wird akzeptiert. Anreize zur Armutseinwanderung sollen sinken. Asylverfahren sollen mit einer Drei-Monats-Dauer bis zum Bescheid beschleunigt, Westbalkanstaaten als sichere Drittländer eingestuft, die Ansiedlung von Flüchtlingen aber ausgebaut werden.
Die Länder können Mieterhöhungen begrenzen. Wenn Vermieter einen Makler einschalten, müssen sie ihn bezahlen. Umwelt-, Hochwasser- und Meeres- und Verbraucherschutz sollen gestärkt werden. Deutschland soll „Digitales Wachstumsland Nr. 1 in Europa“ werden.
5. Moderner Staat, innere Sicherheit und Bürgerrechte
Als Konsequenz aus dem NSU-Terror sollen die Nachrichtendienste besser kontrolliert werden. Die Vorratsdatenspeicherung soll kommen: Telekommunikationsunternehmen sollen Verbindungsdaten ihrer Kunden speichern.
6. Starkes Europa
Der Koalitionsvertrag bekennt sich zur EU-Integration. Bei Wirtschaft und Währung soll die Koordinierung stärker werden. Jeder Staat soll aber weiter für Verbindlichkeiten haften - Schulden sollen nicht vergemeinschaftet werden. Hilfskredite sollen letztes Mittel bleiben. Die Jugendarbeitslosigkeit soll bekämpft werden.
7. Verantwortung in der Welt
Die Partnerschaft mit den USA soll nach der NSA-Affäre wieder in Ordnung gebracht und die Nato gestärkt werden. Mit Russland soll es eine breitere Zusammenarbeit geben, auch Visa-Erleichterungen werden angestrebt. Deutschland soll sich angesichts des geplanten Endes des Kampfeinsatzes in Afghanistan angemessen an einer Beratungsmission beteiligen. In der Entwicklungspolitik bekennt sich die Koalition zu den UN-Millenniumszielen unter anderem zur Senkung der Armut.
8. Arbeitsweise der Koalition
Die Partner verpflichten sich zu umfassender Abstimmung und zur Wahrung der Oppositionsrechte. Die Bekanntgabe der Ressortverteilung erfolgt laut Vertrag nach Beschlussfassung der Parteien.