Porträt Jeremy Corbyn - der unterschätzte Labour-Parteirebell

London (dpa) - Jeremy Corbyn ist kein Mann großer Gesten. Ein hochgereckter Daumen, ein Lächeln. Das ist alles, was er gewöhnlich im Moment des Triumphs sehen lässt. Dabei wird Corbyn von seinen vor allem jungen Anhängern schon lange verehrt wie ein Popstar.

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Dass er es trotzdem geschafft hat, das Image des bescheidenen Hinterbänklers zu wahren, könnte entscheidend dazu beigetragen haben, Theresa Mays Pläne für einen überwältigenden Sieg bei der Parlamentswahl zu durchkreuzen.

Abzusehen war das nicht: Umfragen vor der Wahl zufolge traute dem 68-Jährigen nur eine Minderheit der Briten das Amt des Regierungschefs zu. Versuche der Konservativen, ihn zu demontieren, scheiterten. Möglicherweise, weil es ohnehin schlecht für ihn aussah. Doch Corbyn wurde nicht zum ersten Mal von seinen Gegnern unterschätzt.

Der dreifache Vater und in dritter Ehe verheiratete Politiker gilt als ehrliche Haut, als einer, der nicht mit schmutzigen Tricks kämpft. Persönliche Angriffe und Schmähungen beantwortet er nicht. „Das ist nicht mein Stil“, sagt Corbyn. Er konzentriert sich ganz auf Sachfragen. Das sind vor allem soziale Themen wie Wohnungsnot, der schlechte Zustand des Gesundheitssystems, Bildung und die Renten.

Corbyn gilt als absolut prinzipientreu. Er soll sich vegetarisch und fast zuckerfrei ernähren, nicht rauchen und keinen Alkohol trinken. Hat er sich einmal auf eine Überzeugung festgelegt, bleibt er dabei. Dafür liebt ihn die Labour-Basis. Doch dazu muss man wissen: Viele Corbynistas, wie seine Anhänger in der konservativen Presse genannt werden, sind der Labour-Partei erst vor Kurzem beigetreten. Manche gehen soweit zu sagen, Corbyn habe die Partei gekapert.

Mehr als 30 Jahre lang ist er ein Hinterbänkler bei Labour im britischen Parlament. Seit 1983 sitzt er für den Londoner Wahlkreis Islington North im Unterhaus. Corbyn macht sich als Parteirebell einen Namen, der nicht selten gegen die Anträge der eigenen Fraktion stimmt. Er ist einer der Gegner des Irak-Kriegs 2003. Doch seine Chancen darauf, in der Regierung zu gestalten, stehen lange Zeit gleich null.

Das ändert sich, als Labour unter der Führung von Ed Miliband 2015 krachend gegen die Konservativen verliert: Corbyn tritt für den Posten des Parteichefs an. Obwohl ihm nur Außenseiterchancen eingeräumt werden, gewinnt er mit deutlicher Mehrheit.

Noch klarer ist sein Sieg ein Jahr später - als er in einer von der Fraktion erzwungenen Urwahl erneut triumphiert. Zunächst hatte ihm nach dem Brexit-Votum der Briten die rebellierende Labour-Fraktion das Vertrauen entzogen. 172 von rund 230 Labour-Abgeordneten sprachen Corbyn damals das Misstrauen aus. Mehr als die Hälfte seines Schattenkabinetts lief ihm davon. Sie warfen ihm vor, sich nicht ausreichend für den Verbleib Großbritanniens in der Europäischen Union eingesetzt zu haben. Doch die Basis hält ihm schließlich die Treue und befördert ihn per Urwahl wieder an die Spitze.

Corbyn gilt als schwacher Labour-Chef. Doch im Wahlkampf für die vorgezogene Parlamentswahl läuft er zu Höchstform auf. Die Erfahrung aus jahrzehntelangem politischen Engagement bei Demos und in seinem Wahlkreis hilft ihm dabei. Die Strategie der konservativen Presse, ihn mit Vorwürfen zu beschädigen, er habe mit terroristischen Gruppen wie der IRA und der Hamas sympathisiert, geht nicht auf.