Fatal verzockt? Theresa May muss nach Parlamentswahl zittern

London (dpa) - Theresa May hat hoch gepokert - und wohl verloren. Bei der Parlamentswahl am Donnerstag hat die britische Premierministerin nach einer ersten Prognose nicht nur den geplanten klaren Sieg verfehlt, sie könnte auch ihre Regierungsmehrheit eingebüßt haben.

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Bleibt es bei den Zahlen, ist es in jedem Fall eine schallende Ohrfeige, die der britische Wähler May verpasst hat.

Ohne Not hatte sie im April eine Neuwahl angekündigt, ermutigt durch die schlechten Umfragewerte der oppositionellen Labour-Partei. Ein historischer Wahlsieg sollte es werden - stattdessen könnte May nun als Regierungschefin mit einer der kürzesten Amtszeiten in die Geschichte Großbritanniens eingehen.

Nach dem sich abzeichnenden überraschend schlechten Abschneiden dürfte ihre Führungsrolle in der konservativen Partei in Frage stehen. Statt einer „starken und stabilen Führung“, wie May nicht müde wurde zu versprechen, hat die vorgezogene Neuwahl dem Land nun möglicherweise eine Hängepartie ohne Fraktion mit eigener Regierungsmehrheit beschert.

Als Theresa May antrat, wurde sie bereits als Margaret Thatcher mit Herz gefeiert. Doch es gelang ihr nicht, die Bevölkerung zu einen. Sie forderte einen harten Brexit mit Austritt aus dem Europäischen Binnenmarkt und der Zollunion. Dass knapp die Hälfte der Briten beim Brexit-Referendum im vergangenen Jahr für einen Verbleib in der EU gestimmt hatte, ignorierte sie. Ihre Aufrufe zur Einheit blieben hohl. Im Wahlkampf setzte sie alles auf die schlechten Umfragewerte ihres Rivalen Jeremy Corbyn. Doch das reichte offenbar nicht.

Ihre mantrahaft wiederholten Phrasen brachten ihr den Spitznamen „Maybot“ ein - eine Mischung aus May und Roboter. Bei kritischen Nachfragen aus dem Publikums bei Fernsehauftritten wirkte sie teilweise panisch, kam ins Straucheln. Bei einem Kreuzverhör im Fernsehen wurde sie vom Publikum ausgelacht. Katastrophal war die Ankündigung im Parteiprogramm, Demenzkranke für ihre Pflege zur Kasse zu bitten. May musste zurückrudern, was sie noch schlechter aussehen ließ.

Hinter den Phrasen von der „starken und stabilen Führung“ und dem „Großbritannien, das für alle funktioniert“ offenbarte sich eine erschreckende Leere. May hatte keine politische Vision für das Land jenseits ihres eigenen Machtwillens. Corbyn, so dachte sie, würde ihr den Wahlsieg leicht machen. Wenn sich die Prognose bewahrheitet, hat sich May gewaltig getäuscht. Soziale Themen und Sicherheit bestimmten den Wahlkampf weitaus stärker als das Thema EU-Austritt.

Corbyn wusste das zu nutzen. Im Wahlkampf war er ganz in seinem Element. Anders als seine Widersacherin scheute er sich nicht vor TV-Debatten. Jahrzehntelange Erfahrung als Redner auf zahllosen Demos zahlten sich aus. Es gelang ihm, den Vorsprung der Konservativen bis auf wenige Prozentpunkte schrumpfen zu lassen.

Was Mays nun prognostizierte Niederlage für die Austrittsverhandlungen mit der EU bedeutet, ist ungewiss. Sie wolle eine „verdammt schwierige Frau“ sein, hatte May angekündigt. Doch ob sich die Verhandlungspartner in Brüssel und den verbliebenen EU-Staaten über ihren möglichen Abgang freuen sollten, ist fraglich.

Unklar ist, ob die Brexit-Gespräche wie von der EU-Kommission vorgeschlagen am 19. Juni beginnen können. Sollten Koalitionsverhandlungen nötig werden, könnte es kompliziert werden. Die Liberaldemokraten, die den Konservativen zur Mehrheit verhelfen könnten, wollen einen harten Brexit um jeden Preis abwenden.