Ein grauer Tag für die EU Kanada-Gipfel platzt wegen Ceta-Hickhack
Brüssel (dpa) - Kein Ceta, kein Gipfel: Kanada hat seine Ankündigung wahr gemacht und das für diesen Donnerstag geplante Spitzentreffen mit der EU verschoben.
Dass sich die aufständischen Belgier wenig später doch noch auf eine gemeinsame Position zu dem umstrittenen Freihandelsabkommen einigen konnten, half nichts mehr. Das Debakel für die Europäische Union war perfekt. Fragen und Antworten im Überblick:
Das Platzen des EU-Kanada-Gipfels ist für die EU eine riesige Blamage. Ist Ceta damit für ein für alle Mal gestorben?
Auch wenn sich dies viele Gegner wünschen würden: Es sieht nicht danach aus. Nachdem sich die belgische Politik am Donnerstag doch noch auf eine gemeinsame Position zu Ceta geeinigt hatte, begannen EU-Experten sofort damit, die Zusatzwünsche zu prüfen. Bereits am Abend gab es grünes Licht. Noch in der Nacht zum Samstag soll nun das notwendige EU-interne Abstimmungsverfahren abgeschlossen sein, danach könnte theoretisch sofort unterzeichnet werden. Auf der anderen Seite des Atlantiks ist man dazu nach wie vor bereit.
Was könnte nun an Ceta geändert werden?
Am Abkommen selbst nichts. Allerdings soll es umfangreiche Zusatzerklärungen mit Klarstellungen und Garantien zu Bereichen wie Lebensmittelsicherheit und Umweltschutz geben. Zudem soll der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) aufgefordert werden, ein Gutachten zu den umstrittenen Regelungen zur Streitbeilegung zwischen Unternehmen und Staaten zu erstellen. Er könnte Änderungen verlangen.
Wozu braucht es überhaupt Schiedsgerichte? Könnten nicht ganz normale Richter entscheiden?
Das ist eine heikle Frage. Befürworter eines Extra-Systems argumentieren, dass es bei den oft sehr komplizierten Streitfällen besser ist, wenn die Richter Experten sind. Hinter vorgehaltener Hand wird zudem der Verdacht geäußert, dass zum Beispiel ein deutscher Richter bei einem Streit zwischen einem kanadischen Großkonzern und dem deutschen Staat vielleicht doch nicht ganz unabhängig sein könnte. Gegen diese Sichtweise gibt es aber natürlich auch Gegenargumente. Eines lautet, dass jeder Bürger eventuell mit ähnlichen Problemen kämpfen muss, wenn er sich an ein Gericht wendet.
Das Hickhack in Belgien beschert der EU ein ernsthaftes Glaubwürdigkeitsproblem. Muss nun jemand die politische Verantwortung für das Debakel übernehmen?
Letztlich wäre dies wohl am ehesten die Sache des belgischen Premierministers Charles Michel. Er hat es weder rechtzeitig geschafft, die Kritiker in der Region Wallonie zu überzeugen, noch hat er offensichtlich klar genug davor gewarnt, dass er dem Abkommen gegebenenfalls nicht zustimmen kann. Auch der EU-Kommission und Mitgliedstaaten wie Deutschland wird immer wieder einen Mitschuld an dem Debakel gegeben.
Die EU-Kommission weist darauf hin, dass sie von Deutschland und etlichen anderen Staaten gezwungen wurde, Ceta als Vertrag einzustufen, dem nicht nur das Europaparlament, sondern auch der Bundestag und andere nationale und regionale Parlamente zustimmen müssen. Dies führt dazu, dass zum Beispiel die Wallonen das Abkommen blockieren konnten. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) wirft der EU-Kommission hingegen eine Präferenz für das „technokratische Durchpauken von Handelsverträgen“ vor. Er argumentiert, er und andere Mitgliedstaaten hätten damals nur auf die „Fragen und Kritik ihrer Bevölkerung“ reagiert.
Wer hat recht?
Vermutlich haben beide Seiten die Kritik an Freihandelsabkommen wie Ceta lange nicht ernst genug genommen. Gabriel muss sich zudem vorwerfen lassen, dass er zuletzt zweigleisig fuhr. Auf der einen Seite warb er für Ceta, auf der anderen machte er aber Stimmung gegen das mit den USA geplante Handelsabkommen TTIP. Für Ceta-Kritiker war das kaum verständlich.
Welche Folgen könnten die Verzögerungen haben?
Der EU droht vor allem ein Verlust an Glaubwürdigkeit. Europapolitiker fordern nun, die Entscheidungsverfahren zu überdenken. „Entscheidungen werden nicht erst dann demokratisch, wenn alle Ebenen zustimmen“, kommentierte beispielsweise der CDU-Europaabgeordnete Daniel Caspary am Donnerstag. „Das gilt für die Städte und Gemeinden, für die Länder, für Deutschland und auch für Europa.“