Karlsruhe stoppt Sondergremium für Euro-Rettung
Karlsruhe/Berlin (dpa) - Das Bundesverfassungsgericht hat das neue Sondergremium des Bundestags für Euro-Nothilfen mit lediglich neun Abgeordneten vorläufig gestoppt.
Die Entscheidungsrechte des Parlaments dürfen nicht von diesem Sondergremium wahrgenommen werden, entschied der Zweite Senat im Eilverfahren. Die Opposition begrüßte dies als Schritt zu mehr Transparenz. Unklar blieb zunächst, wie das Parlament über dringende Aktionen des Rettungsfonds EFSF nun genau entscheiden würde, wenn diese erforderlich wären. Die Koalition betonte, Deutschland bleibe handlungsfähig. Finanzexperten fürchten, die Wirkung des Fonds könne beeinträchtigt werden, Spekulationen gegen Krisenländer könnten begünstigt werden. (Az. 2 BvE 8/11)
Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) solle einen Verfahrensvorschlag für mögliche eil- und geheimbedürftige Entscheidungen für den Euro-Rettungsfonds EFSF machen, sagte der CDU-Haushaltspolitiker Norbert Barthle nach einer Sitzung des Haushaltsausschusses am Freitag in Berlin.
Nach der Karlsruher Entscheidung müsste die Bundesregierung nun für weitere Hilfsmaßnahmen die Zustimmung des gesamten Bundestags einholen. Bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren dürfen die Rechte des Parlaments nicht durch das neue Gremium wahrgenommen werden. Lammert sieht darin allerdings „kein nicht beherrschbares Problem“. Die Bundesregierung hofft laut Bundesfinanzministerium auf eine baldige Entscheidung in der Hauptsache.
Nach dem vor wenigen Wochen verabschiedeten Stabilisierungsmechanismusgesetz sollte das neue Gremium dringende oder geheime Entscheidungen über Maßnahmen des EFSF treffen. Es besteht nur aus neun Mitgliedern des Bundestags. Maßnahmen zur Verhinderung von „Ansteckungsgefahren“ - etwa der Aufkauf von Staatsanleihen - sollten sogar regelmäßig hier getroffen werden. Die SPD-Abgeordnete Swen Schulz und Peter Dankert hatten die Klage eingereicht. Sie sahen ihre Rechte verletzt. Der Bundestag hatte erst am Mittwoch die Mitglieder des Gremiums bestimmt.
Zur Begründung hieß es in Karlsruher Entscheidung, bis zur Entscheidung in der Hauptsache „könnte das Sondergremium Entscheidungen treffen, die die Statusrechte der Antragsteller im Hinblick auf die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Bundestages berühren“.
Lammert sagte der Nachrichtenagentur dpa, ein konkreter Entscheidungsbedarf des Bundestages zu weiteren Rettungsmaßnahmen sei nicht absehbar. „Falls bis zu der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in der Hauptsache, die wir möglichst bald erwarten, ein solcher Entscheidungsbedarf entstehen sollte, müsste und könnte er vom Deutschen Bundestag als Plenum wahrgenommen werden.“
Unions-Fraktionsgeschäftsführer Peter Altmaier (CDU) sagte: „Wir haben (...) nun eine klare Botschaft, dass zunächst das Plenum entscheiden muss in bestimmten Fragen.“ Dies könne durch den Haushaltsausschuss vorbereitet werden. Danckert sieht im Haushaltsausschuss das richtige Gremium für Geheimentscheidungen bei Nothilfen. Im Plenum sei Geheimhaltung nicht sicher gestellt.
Aus Frankfurter Finanzkreisen hieß es, beim Ankauf von Staatsanleihen gegen die Krise sei die Geheimhaltung von großer Bedeutung. Das Bekanntwerden möglicher Pläne für künftige Ankäufe von Staatsanleihen durch den EFSF könne den Spekulanten-Druck auf das entsprechende Euro-Land erhöhen, so ein Finanzexperte. Dies müsse verhindert werden, sagte der FDP-Haushälter Otto Fricke.
SPD und Grüne werteten die Entscheidung überwiegend positiv. „Die Entscheidung macht deutlich, dass unser Anliegen vom Bundesverfassungsgericht ernst genommen wird“, sagte Mitkläger Schulz. SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann sagte: „Das ist eine weitere Stärkung der Parlamentsdemokratie.“ Sein Grünen-Kollege Volker Beck sah die Forderung seiner Fraktion unterstützt, „dass wichtige Entscheidungen durch das Plenum des Deutschen Bundestages offen und transparent getroffen werden müssen“.
Das Bundesverfassungsgericht hatte erst in seiner jüngsten Entscheidung zum Euro-Rettungsschirm im September betont, dass der Bundestag an allen Entscheidungen über Hilfsmaßnahmen größeren Umfangs beteiligt werden müsse, wenn dadurch Belastungen für den Bundeshaushalt entstehen.