Hoffen und Bangen Katastrophale Lage für die Menschen in Aleppo
Aleppo/Damaskus (dpa) - Fast einen Monat lang wurden die Rebellengebiete in Ost-Aleppo im Zuge der Großoffensive der syrischen Armee ununterbrochen bombardiert. Dabei kennen die Menschen in der früheren Handelsmetropole seit Jahren nichts anderes mehr als Krieg und Zerstörung.
Wie viele Menschen halten sich noch in den Rebellengebieten in Ost-Aleppo auf?
Genaue Zahlen sind schwer zu nennen. Vor der Großoffensive der syrischen Armee Mitte November schätzten die Vereinten Nationen, dass sich zwischen 250 000 und 300 000 Menschen in den Rebellengebieten aufhalten. Seitdem sind aber Zehntausende geflohen. Im Rahmen der Evakuierungsmission sind ebenfalls höchstens 10 000 Menschen herausgebracht worden. Nach Schätzungen von Hilfsorganisationen und Beobachtern könnten sich noch 50 000 bis 70 000 Menschen in den Rebellengebieten aufhalten.
Wie sind die Menschen untergebracht?
Die Lage für die Menschen ist katastrophal. Die Leiterin der Syrienmission des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK), Marianne Gasser, zeigte sich erschüttert angesichts des Leids der Menschen. Sie habe selten so etwas gesehen, ließ sie mitteilen. Die internationalen Helfer berichten davon, dass sich die Menschen teilweise tagelang unter den Trümmern versteckt hatten - ohne Wasser und Nahrung. Mancherorts hätten sich die Menschen zu Hunderten in zerstörten Häusern oder alten Fabrikhallen provisorisch eingerichtet. Neben den Kämpfen stellt auch das Wetter eine Gefahr für die Menschen dar: Derzeit kann es gerade nachts in Aleppo sehr kalt werden. Zuletzt hatte es immer wieder lange und schwer geregnet.
Können die Hilfsorganisationen jetzt allen Verbliebenen helfen?
Die Versorgung der Bevölkerung ist weiterhin schwierig. Immer wieder kommt es bei der Mission zu Verzögerungen oder zu Gefechten. Am Freitag mussten die Hilfsorganisationen den Ost-Teil Aleppos zunächst wieder verlassen und ihre Hilfen für die Menschen einstellen.
Wie empfinden die Menschen die Evakuierung?
Einerseits bedeutet die Evakuierung für die Menschen zunächst ein Ende der Gewalt, auf der anderen Seite heißt es aber auch, dass sie sich zunächst einem Regime anvertrauen, das sie jahrelang bombardiert hat. Aktivisten berichten von herzzerreißenden Szenen, weil die Menschen ihre Heimat nicht aufgeben wollen. Einige zündeten in den vergangenen Tagen auch ihr verbliebenes Hab und Gut an, weil sie nicht wollen, dass es der syrischen Armee oder deren Verbündeten in die Hände fällt.
Hat die syrische Armee Aleppo wieder komplett eingenommen?
Offiziell hat Syriens Präsident Baschar al-Assad Aleppo für „befreit“ erklärt. Seine Truppen rückten in frühere Rebellenviertel ein und hissten dort die Fahne des syrischen Staates auf den Gebäuden - im Kontrast zu den Fahnen der syrischen Opposition. Allerdings berichtet der Verbündete Russland, dass in einigen Bezirken von Aleppo radikale Gruppen zurückgeblieben seien, die die Armee weiterhin beschießen würden.
Wann ist die Evakuierungsmission von Ost-Aleppo beendet?
Das ist ungewiss. Nach Beginn der Mission am Donnerstag rechneten internationale Hilfsorganisationen zunächst damit, dass der Abtransport der Menschen mehrere Tage dauern werde. Allerdings kommt es immer wieder zu Verzögerungen. Russland erklärte den Abtransport am Freitag kurzerhand für beendet - obwohl sich noch Zehntausende Menschen in den Rebellengebieten aufhalten.