Manipulierte Asylbescheide Mächtig unter Druck: die Akteure in der Bamf-Affäre
Berlin (dpa) - Seit Wochen bestimmt das Thema die politische Agenda in Berlin. Es geht um manipulierte Asylbescheide in der Bremer Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge - kurz Bamf.
Eine frühere Leiterin soll dort zwischen 2013 und 2016 unrechtmäßig mindestens 1200 Anträge durchgewinkt haben.
Sie soll in etlichen Fällen darauf verzichtet haben, Ausweisdokumente auf ihre Echtheit zu prüfen. 18.000 weitere Fälle aus der Zeit, als sie die Dienststelle leitete, werden nun überprüft. Doch die Bremer Affäre wird längst auch politisch instrumentalisiert. Für die AfD geht es um die Gesamtverantwortung für das „Flüchtlingsdesaster seit 2014“.
- Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) ist zwar erst zwei Monate im Amt, und das, was in Bremen passiert ist, liegt zum Teil Jahre zurück. Und doch ist der frühere bayerische Ministerpräsident durch die Vorfälle bei der Bamf-Außenstelle stark unter Druck geraten. Die Opposition fordert umfassende Aufklärung, droht mit einem Bundestags-Untersuchungsausschuss. Seehofer muss jetzt vor allem Handlungsfähigkeit beweisen. Erst einmal hat er angeordnet, dass im Bremer Ankunftszentrum bis zur vollständigen Aufklärung der Vorfälle keine Asylentscheidungen mehr getroffen werden dürfen. Für Seehofer geht es - wenige Monate vor der Landtagswahl in Bayern - auch um seine persönliche Reputation.
- Jutta Cordt ist erst seit Anfang 2017 Präsidentin des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf). Auch sie kann damit nicht für Versäumnisse in der Zeit davor verantwortlich gemacht werden. In einem Bericht der internen Revision des Bamf vom 11. Mai hieß es, bei der Beachtung des Vier-Augen-Prinzips seien in Bremen „Mängel“ festgestellt worden. Doch diese lapidare Aussage konnte Cordt nicht entlasten. Am 18. Mai trat sie in Berlin vor die Presse. Sie kündigte an, 18.000 Asyl-Fälle in Bremen zu überprüfen. Schon damals wurde über einen möglichen Rücktritt der Juristin spekuliert. Heute steht auch sie vor dem Innenausschuss Rede und Antwort.
- Ulrike B., die ehemalige Leiterin der Bremer Bamf-Außenstelle, war bis zum 21. Juli 2016 im Amt. Sie wurde nach einem Disziplinarverfahren ihrer Position enthoben. Gegen die Frau wird wegen Bestechlichkeit und bandenmäßiger Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung ermittelt. Bislang deutet allerdings nichts darauf hin, dass sie aus Gewinnstreben gehandelt hätte.
- Josefa Schmid war im vergangenen Januar als neue Außenstellen-Leiterin von Bayern nach Bremen geschickt worden. Sie hat erst die Nürnberger Zentrale und dann das Bundesinnenministerium (BMI) auf - teilweise bereits bekannte - Fehler in den Bremer Asylverfahren der vergangenen Jahre hingewiesen. Ihre mit „Fürsorge“ begründeten Abberufung aus Bremen verstärkte zeitweise den Eindruck, dass die Bamf-Leitung die Krise nicht mehr unter Kontrolle hat. Schmid wehrt sich gegen ihre Versetzung, die für sie auch karrieretechnisch ein Rückschritt wäre.
- Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium (BMI), Stephan Mayer (CSU), hat zuletzt im Innenausschuss des Bundestages zur Bamf-Affäre Auskunft gegeben. Er hat am 4. April mit Schmid telefoniert, die eigentlich mit Seehofer hatte sprechen wollen. Ihm wird nun vorgeworfen, er habe es versäumt, Seehofer, der das Bamf am 6. April besuchte und dort die Arbeit der Behörde lobte, schnell über die Vorfälle in Bremen zu informieren.
- Thomas de Maizière (CDU) war in der vergangenen Legislaturperiode Bundesinnenminister. Er hat die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin mitgetragen, wenn auch zeitweise unter Schmerzen. Auf dem Höhepunkt der Krise übernahm der damalige Kanzleramtsminister Peter Altmaier die politische Koordination - das wurde damals auch als Ohrfeige für den Innenminister gewertet. Er wies schon früh auf Risiken durch fehlende Identitätsnachweise bei vielen Flüchtlingen hin.
- Frank-Jürgen Weise hatte von September 2015 bis 2016 gleichzeitig die Bundesagentur für Arbeit und das Bamf geleitet. Seine Ernennung als Interims-Chef des Bamf soll über de Maizières Kopf hinweg gelaufen sein. Weise ist inzwischen pensioniert. Er hatte vor allem die Aufgabe, die Behörde schnell an die enorm gewachsenen Anforderungen anzupassen. Dass er vor allem die Zahl der unbearbeiteten Anträge abbauen wollte, wird ihm - etwa vom Personalrat - zum Vorwurf gemacht. Die Unregelmäßigkeiten in Bremen seien „im Kern auf persönliches Fehlverhalten“ und „wohl auf falsch verstandene Humanität“ zurückzuführen, sagte Weise jetzt. Solche Fehler hätten auch ohne Umbau der Behörde passieren können.