Porträt Mariano Rajoy: Überlebenskünstler vor neuer Herausforderung

Madrid (dpa) - Eine ruhige Kugel durfte Mariano Rajoy in der Politik nur selten schieben. Der spanische Ministerpräsident stand sehr häufig vor großen Hindernissen und schier unlösbaren Aufgaben.

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Ein solch gewaltiges Problem wie den Aufstand der Separatisten in Katalonien hat der 62-Jährige bisher aber noch nie erlebt. Muss er doch, wie die Zeitung „El País“ dieser Tage schrieb, „die größte Herausforderung der spanischen Demokratie“ bewältigen. Auf dem Spiel stehen das Fortbestehen seiner Minderheitsregierung und mehr noch: die Zukunft der viertgrößten Volkswirtschaft der Eurozone.

Nach dem harten Einsatz der Polizei vor einigen Wochen beim Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien mit knapp 900 Verletzten wurden die Rufe nach einem Rücktritt des konservativen Regierungschefs in Spanien immer lauter. Für Rajoy allerdings nichts Neues. Der bärtige Brillenträger war schon häufiger politisch totgesagt worden.

Als der Parteichef der spanischen Volkspartei (PP) 2008 eine bittere Wahlniederlage erlitt, wurde sogar in der eigenen Partei die Forderung laut, Rajoy solle seinen Hut nehmen. Der Richtersohn und gelernte Jurist ließ aber stoisch alle Kritik an sich abprallen - und führte die PP nur drei Jahre später zum höchsten Wahlsieg ihrer Geschichte.

Der uncharismatische, oft altbacken und bieder wirkende Mann aus dem galicischen Santiago de Compostela übernahm die Macht 2011 - auf dem Höhepunkt der spanischen Wirtschaftskrise. Seine Reformen schafften neue Jobs, die Arbeitslosigkeit ging vor allem in den vergangenen Jahren stark zurück. Spanien gilt inzwischen mit Zuwachsraten von gut drei Prozent als Wachstums-„Europameister“.

Aufgrund zahlreicher Korruptionsaffären verlor die PP bei der Parlamentswahl Ende 2015 dennoch die absolute Mehrheit im Madrider Congreso de los Diputados. Auch bei einer Neuwahl im Juni 2016 änderte sich die Sitzverteilung nicht entscheidend. In der schwierigen Situation erwies sich Rajoy erneut als politischer Überlebenskünstler. Hinter den Kulissen bildete er geschickt Allianzen mit mehreren Parteien und wurde vor knapp einem Jahr vom Parlament erneut zum Regierungschef gewählt.

Rajoy ist ein Pragmatiker, der sich von Ideologien fernhält und in brenzligen Lagen Gelassenheit und Ruhe ausstrahlt. Schon früher hatte sich der Fußball-, Radsport- und Jogging-Fan in heiklen Lagen - wie etwa als Minister im Kampf gegen den Rinderwahnsinn oder bei der Umweltkatastrophe nach dem Untergang des Öltankers „Prestige“ - als Krisenmanager bewährt. Diese Qualitäten sind jetzt in Spanien mehr denn je gefragt. „Wir Spanier haben gemeinsam schon große Schwierigkeiten überwunden. Wir werden es wieder schaffen“, postete Rajoy auf Twitter nach dem Referendum in Katalonien.