Erinnern und Versöhnung Geschichte belastet deutsch-französisches Verhältnis
Hartmannsweilerkopf (dpa) - Der baumgekrönte Berg im Elsass ist mit 956 Metern kein Riese, doch seine symbolische Bedeutung ist enorm. Im Ersten Weltkrieg kämpften am Hartmannsweilerkopf über Monate Deutsche gegen Franzosen.
Die Anhöhe galt als „Menschenfresser“.
Nach Schätzungen gab es rund 30 000 Opfer auf beiden Seiten. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron weihten dort nun das erste gemeinsame deutsch-französische Museum zum Ersten Weltkrieg ein. Das sollte auch ein Zeichen sein für die Aussöhnung der einstigen „Erbfeinde“.
Warum ist die Erinnerung an die Weltkriege „Chefsache“?
Die historische Dimension ist erheblich. Die deutsch-französische Versöhnung ist die Antwort auf zwei Weltkriege mit Millionen Toten und gilt als Grundpfeiler der Europäischen Union. Den Grundstein für das Museum am Hartmannsweilerkopf legten 2014 die damaligen Staatschefs Joachim Gauck und François Hollande. Vor eineinhalb Jahren gedachten Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Hollande in Verdun gemeinsam der Toten des Ersten Weltkrieges.
Macron war im Elsass Gastgeber. Was war dem Pariser Staatschef wichtig?
Das Museum sei ein konkretes Ergebnis der deutsch-französischen Zusammenarbeit, betonte der 39-Jährige. „Es ist ein bedeutendes Symbol.“ Laut Organisatoren ist es in dieser Form einmalig: Das Museum wurde von beiden Ländern gemeinsam finanziert, Wissenschaftler aus Frankreich und Deutschland waren beteiligt. Damit steht es auch für einen Wandel in der Erinnerungskultur - weg von einer eher national geprägten Sichtweise auf die Ereignisse. Das hatte sich auch schon bei der Neugestaltung der Schlachtfeld-Gedenkstätte von Verdun niedergeschlagen.
Der häufig „Grande Guerre“ („Große Krieg“) genannte Erste Weltkrieg ist in Frankreich viel präsenter als in Deutschland - unter anderem, weil der Grabenkrieg an der deutschen Westfront vor allem auf französischem Staatsgebiet tobte und riesige Landstriche verwüstete. Der 11. November, Tag des Waffenstillstands 1918, ist ein Feiertag. Macron will am 11. November 2018, also in einem Jahr, ein großes Treffen mit Staats- und Regierungschefs in Paris ausrichten.
Warum gerade am Hartmannsweilerkopf?
Über die Gipfel der Vogesen verlief monatelang die Front eines blutigen Stellungskrieges. Es war ein Gebirgskampf. Soldaten gruben Schützengräben in den Fels, im Winter mussten sie unter katastrophalen sanitären Bedingungen durch tiefen Schlamm und Schmutz waten. „Der Hartmannsweilerkopf war ein Schlachthaus“, resümierte Gauck vor gut drei Jahren. Zudem war Elsass-Lothringen lange Zeit ein Zankapfel zwischen den beiden Ländern - Deutschland hatte sich das Gebiet 1870/71 einverleibt.
Für den Kriegsverlauf waren die Kämpfe am Hartmannsweilerkopf allerdings nicht entscheidend. In Frankreich wurde das Gelände nach dem Krieg schnell zu einem Erinnerungsort.
Trotz aller Initiativen belastet die Geschichte immer noch das deutsch-französische Verhältnis, warum?
Die Spuren von Kriegen und deutscher Besatzung in Frankreich sind tief. Erst im Sommer gedachte der damals frisch gewählte Macron des Massakers von Oradour-sur-Glane in Zentralfrankreich vor 73 Jahren. Soldaten eines Waffen-SS-Panzerregiments hatten dort während des Zweiten Weltkriegs 642 Bewohner ermordet. Macron bekräftigte auch die Verantwortung seines Landes für die größte Massenverhaftung von Juden während des Zweiten Weltkriegs in Frankreich - das war jahrzehntelang ein Tabuthema gewesen, bis sich der damalige Staatschef Jacques Chirac vor 22 Jahren dafür entschuldigte.
„Die Wahrheit über die deutsch-französische Beziehung ist, dass sie für viele Franzosen eine Misstrauen erregende Beziehung bleibt“, hieß es aus dem Élyséepalast. Es sei bezeichnend, dass zwei wichtige französische Literaturpreise gerade für Bücher verliehen wurden, die sich mit Nazi-Deutschland auseinandersetzen. „Die Versöhnungsarbeit ist nicht beendet.“
Macron ist ein überzeugter Europäer und will Reformen in der EU vorantreiben. Was sagt Steinmeier dazu?
Der seit einem halben Jahr amtierende Macron hat seine Vorschläge im September bei seiner Rede in der Pariser Sorbonne-Universität vorgelegt. Dazu gehören ein eigener Haushalt, ein Parlament oder ein Finanzminister für die Eurozone. Steinmeier begrüßte bei seinem Frankreich-Besuch überraschend deutlich den Vorstoß und lobte den Elan von Macron. Berlin hat wegen der Regierungsbildung bisher nicht im Detail auf die Vorschläge reagiert.