Merkel plädiert für europäische Ratingagentur

Berlin (dpa) - Bundeskanzlerin Angela Merkel plädiert für eine europäische Alternative zu den US-dominierten Ratingagenturen. Europa sollte dafür das Selbstbewusstsein haben, sagte Merkel am Samstag in Berlin auf einer CDU-Veranstaltung.

Die Initiative für eine europäische Ratingagentur sollte aber aus der Wirtschaft kommen. Merkel zeigte sich zugleich skeptisch, dass jetzt der richtige Zeitpunkt für die Gründung einer eigenen europäischen Agentur sei. Zunächst einmal müsse die Schuldenkrise in einigen Euro-Ländern überwunden werden.

Ratingagenturen stehen erneut in der Kritik, nachdem sie die Bonität kriselnder Euro-Länder wie Griechenland trotz der Milliarden-Garantien und massiver Hilfspakete zuletzt auf Ramschstatus abgewertet und auch anderen Euro-Ländern weitere Herabstufungen bei deren Kreditwürdigkeit angedroht haben.

Immer mehr Ökonomen kritisieren das Verhalten der Agenturen in der Euro-Krise scharf. „Die Stunde ist gekommen, in der die Macht der Ratingagenturen brachial gebrochen werden muss“, sagte Thomas Straubhaar, Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitutes (HWWI) der „Welt am Sonntag“. Auch der Wirtschaftsweise Peter Bofinger sieht die Rolle der Bonitätsprüfer kritisch. „Insbesondere die EZB hat sich viel zu abhängig von den Ratingagenturen gemacht. Es steht in ihren Statuten nirgends geschrieben, dass sie griechische Anleihen nicht mehr als Sicherheit für die Ausgabe von Liquidität akzeptieren darf, nur weil die Ratingagenturen die Papiere als Zahlungsausfall werten.“

Folker Hellmeyer von der Bremer Landesbank kritisierte, noch Ende 2009 hätten die Agenturen ein hartes Sparprogramm von Griechenland gefordert. Solche Programme führten zunächst immer zu höheren Schulden, weil die Wirtschaft einbricht. „Daraufhin das Land abzuwerten, ist für mich eine Beleidigung unterdurchschnittlicher Intelligenz.“ Sven Giegold, finanzpolitischer Sprecher der Grünen im EU-Parlament, sagte: „Allein der Verdacht, dass die Ratingagenturen in der Finanzkrise in politisch sensiblen Momenten absichtlich Länder heruntergestuft haben, reicht aus, um ihrer Marktmacht ein Ende zu bereiten.“

Der Deutschland-Geschäftsführer der Ratingagentur Fitch, Jens Schmidt-Bürgel, wehrte sich gegen die Kritik. „Das Letzte, was wir wollen, ist Brandbeschleuniger der Schuldenkrise zu sein. Wir können uns aber nicht aus Staatsräson vor einem notwendigen Ratingurteil verschließen“, sagte er der „Welt am Sonntag“. Das Problem sei ein anderes: „Vor der Krise haben die Märkte unsere Ratings wenig beachtet. Nun überinterpretieren die Märkte sie.“

Schon in der weltweiten Finanzkrise standen Ratingagenturen als maßgeblich mitverantwortlich am Pranger. So hatten sie solchen Finanzprodukten beste Noten bei der Kreditwürdigkeit gegeben, die sich später als Auslöser der massiven Turbulenzen an den globalen Finanzmärkten herausstellten.