Münchner bleiben trotz Terroralarm gelassen

München (dpa) - Reisende ziehen mit Trolleys über die Bahnsteige des Münchner Hauptbahnhofs. Die Schalter der Bahn sind geöffnet. An den Ständen frischer Kaffee in Pappbechern. Von dem Terror-Großeinsatz wenige Stunden zuvor ist am Neujahrsmorgen nichts mehr zu sehen und zu spüren.

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Mancher, der an diesem Neujahrsmorgen den Dienst an den Imbissbuden und in den Geschäften antritt, spricht von einem „mulmigen Gefühl“. „Die Wahrscheinlichkeit eines Anschlags steigt, weil Deutschland jetzt in den Krieg involviert ist“, sagt der Leiter eines Gastronomiebetriebs, der aber nicht namentlich genannt werden will. „Die Frage ist nur, wo es passiert.“ Gemeint sind die Luftangriffe der Allianz auf Ziele in Syrien, die von Deutschland seit kurzem unterstützt werden.

In der Silvesternacht sorgen Terrorwarnungen für bange Stunden. Schwer bewaffnete Einsatzkräfte ziehen vor den Eingängen des Bahnhofs auf. Flatterband sperrt das Gelände ab. Sicherheitsbeamte drängen Passanten zurück, die sich auf Fragen nach dem nächsten Zug mit vagen Antworten begnügen müssen.

Terroristen des sogenannten Islamischen Staats sollen Selbstmordanschläge geplant haben. „Es gab Hinweise auf konkret fünf bis sieben Attentäter“, sagt Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) bei einer nächtlichen Pressekonferenz im Polizeipräsidium.

Der Münchner Hauptbahnhof sowie der Bahnhof Pasing im Westen werden geräumt und abgeriegelt. Polizisten und Spezialkräfte rücken zur Verstärkung an.

Zuletzt war der Münchner Hauptbahnhof zu Beginn der Flüchtlingskrise im September zum Brennpunkt geworden. Damals trafen an einzelnen Tagen bis zu Zehntausend Menschen aus den Krisengebieten der Welt ein und wurden von den Münchnern in großer Gastfreundschaft aufgenommen. Die Bilder applaudierender Münchner gingen damals um die Welt. Nun zeigen die Berichte vom Münchner Hauptbahnhof maskierte Polizisten in Kampfmontur und mit Maschinenpistolen vor der Brust.

Einmal mehr haben die Beamten am Silvesterabend eine großen Einsatz gemeistert. „Die Polizei macht eine guten Job“, sagt ein Passant. Auch auf der Facebook-Seite der Polizei zollen die Münchner den Beamten Respekt: „Bin froh dass nichts passiert ist“, heißt es da. „Ein Dank an unsere Polizei und alle anderen.“ Und die Polizei begrüßt die Münchner am Morgen auf Twitter trotz der Anspannung locker. „Guten Morgen, #München! An alle Nachtschwärmer: Danke, dass Ihr Ruhe bewahrt habt und Verständnis für unsere Maßnahmen hattet.“

In der Nacht hatten die Beamten getwittert: „Trotz der ernsten Lage lassen wir es uns nicht nehmen: Frohes neues Jahr Euch allen! Und: Seid vorsichtig!“ Die Münchner waren wachsamer als sonst - einige meldeten sich mit Hinweisen bei der Polizei. Es gab keine heiße Spur, sagt eine Sprecherin, aber: „Wir sind dankbar, wenn die Bürger etwas feststellten und im Zweifelsfall liebe einmal mehr die 110 wählen.“

Auch am Neujahrstag bleiben die Einsatzkräfte in Alarmbereitschaft. Zusätzliche Beamte sind in der Stadt unterwegs. Denn wenn es stimmt, was die Geheimdienste melden, dann könnten fünf bis sieben mögliche Attentäter weiter irgendwo in der Nähe sein.

Was auch immer hinter den Anschlagswarnungen von München steckt: Sollten Terroristen das Ziel gehabt haben, Angst und Panik zu verbreiten, sind sie damit gescheitert. Die Münchner reagieren sehr besonnen.

„Wir lassen uns das Feiern nicht vermiesen. Aber ein komisches Gefühl ist schon da“, sagt Gunther (56) in der Nacht. Um Mitternacht seien sie trotzdem auf die Straße gegangen. „Es ist weniger los als in den letzten Jahren. Aber ob es am Wetter oder der Terrorwarnung liegt, weiß ich nicht.“

Peter aus München ist mit seiner Freundin, einem Freund und seiner Mutter nach der Feier unterwegs auf dem Heimweg. „Man hat schon ein mulmiges Gefühl. Klar, man macht sich Sorgen. Es kann immer was passieren, kann schon sein, dass jemand was mitschleppt, irgendwo was abstellt, das merkt man ja nicht“, sagt der 27-Jährige.

Ute S. aus München hat über eine Eilmeldung auf ihrem Handy von der Terrorwarnung erfahren. „Dann habe ich gleich überlegt, wo unsere Söhne unterwegs sind. Ich habe sie angerufen, dass sie öffentliche Plätze und Verkehrsmittel meiden und vielleicht bei Freunden übernachten sollen“, sagt sie. „Wir selbst nehmen nun auch lieber ein Taxi oder den Bus statt der U-Bahn.“ Die U- und S-Bahnen fahren in der Nacht nach Plan. Nur an den beiden Bahnhöfen halten sie nicht.