50 Euro für den Neustart Mutlose Rückkehrer: Was wird aus den abgeschobenen Afghanen?
Kabul (dpa) - Es ist eine verlorene kleine Truppe, die da im Morgengrauen am Kabuler Flughafen ankommt. Einer der jungen Männer reißt in der Ankunftshalle die Arme hoch zum Siegessalut, aber es wirkt eher zynisch.
Ein anderer kniet draußen vor dem Terminal nieder und küsst den kalten Zement.
Es verrät ein wenig von dem, was er in Deutschland erlebt hat. Andere unterhalten sich leise, beantworten die Fragen von Journalisten, gehen dann nach und nach mit Taschen oder einem Pappkarton im Arm hinaus. Wohin? Viele wissen es nicht.
Deutschland hat über Nacht zum ersten Mal abgelehnte Asylbewerber in einer Sammelabschiebung nach Afghanistan gebracht. Viele der jungen Männer im Charterflugzeug waren schon aus Afghanistan geflohen, als die Sicherheitslage noch besser war - vor drei, vier, sieben Jahren. Sie kehren zurück in eine Krise, die in der Welt angesichts so vieler neuer, näherer oder noch größerer Krisen nur noch wenig Aufmerksamkeit erregt, obwohl sie sich stetig verschärft.
„Hier herrscht Krieg“, hat EU-Botschafter Franz Michael Mellbin im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur neulich gesagt. „Hier gibt es einen entschlossenen Feind, der den Staat herausfordert.“ Es passt nicht so recht zu den Szenarien „sicherer Herkunftsorte“, die einige deutsche Politiker ausmalen, um die Proteste über die Abschiebung von Menschen in ein Kriegsgebiet zu dämpfen. „Hinreichend sicher“ für die 34 Abgeschobenen sei die Lage, sagt Innenminister Thomas de Maizière am Donnerstag. Ein Drittel seien Straftäter, sagt de Maizière außerdem, als gäbe es da einen Zusammenhang.
Einige der Abgeschobenen wissen allerdings gut, was sie erwartet. Ali Hussaini (22) weint fast. Er schluckt bei jedem zweiten Wort. Er stammt aus einer der ärmsten und am schwersten umkämpften Gegenden des Landes, aus der zentralafghanischen Provinz Urusgan. Vor fünf Jahren ist er nach Deutschland geflohen. In seinem Bezirk habe es schon damals Bombenanschläge gegeben, sagt er. Heute ist Urusgan ein Hauptziel der Taliban-Offensiven. In die Hauptstadt Tirin Kot sind sie vor einigen Wochen schon kurz eingedrungen.
„Ich wollte Sicherheit in Europa“, sagt Hussaini. Und bevor die Iraker und Syrer kamen, sagt er, hätten Afghanen noch eine Chance gehabt. Aber danach: „Jahrelang warten und dann abgelehnt werden - es bricht mir das Herz.“ Er habe gearbeitet und Geld verdient. Als Kellner, auf dem Bau. Er habe Miete gezahlt. „Und dann kommt um vier Uhr morgens die Polizei und sagt, Afghanistan ist jetzt sicher, ich soll zurückgehen. Sie haben mir Handschellen angelegt.“
Der junge Mann, der den Boden vor dem Terminal geküsst hat, heißt Matiullah. 22 Jahre alt sei er, sagt er. Sieben Jahre lang war er in Deutschland. Er habe studiert, sagt er. Was, das sagt er nicht. Er liebe Afghanistan, sagt er, aber viel Hoffnung für sein Land hat er nicht. Matiullah stammt aus Laghman. Das grenzt an die umkämpften Provinzen Nangarhar und Kunar. In Kunar haben US-Drohnen jüngst hochrangige Al-Kaida-Kommandeure getötet. In Nangarhar fliegen die USA wöchentlich Luftangriffe auf Stellungen der Terrormiliz IS. „Ich komme zurück in diese Situation mit nichts“, sagt Matiullah.
Freiwilligen Rückkehrern gibt die Bundesregierung 700 Euro. Die Abgeschobenen haben 50 Euro bekommen. Die afghanische Regierung hat keine Mittel für seine heimgeschickten Bürger. Nun reihen sie sich möglicherweise ein in die neuen, großen Ströme der Heimatlosen. Die Zahl der Kriegsvertriebenen übersteigt 2016 alle Erwartungen. Mehr als 530 000 Menschen sind bisher aus ihren Dörfern geflohen - zu Anfang des Jahres hatten die UN noch mit rund 250 000 gerechnet.
Ein Mitarbeiter des Flüchtlingsministeriums sagt am Tag der Abschiebung, es gebe nun Streit zwischen EU und afghanischer Regierung. Schon ab Januar wolle die EU nun jede Woche 400 bis 500 Afghanen zurückschicken. Die Afghanen wollen das nicht. Sie wollen die Obergrenze bei zwei Flügen pro Woche und nicht mehr als je 50 Passagieren setzen. Mit mehr sei einfach nicht fertig zu werden.