Fragen und Antworten Sammelabschiebung nach Afghanistan: Rückkehr ins Ungewisse?
Berlin (dpa) - Nach langen Spekulationen und viel Kritik ist die erste Sammelabschiebung abgelehnter Asylbewerber nach Afghanistan erfolgt. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) will weitere Bundesländer dafür gewinnen.
Was ist die Grundlage der Abschiebung?
Die Maßnahme, an der sich sechs Bundesländer beteiligten, erfolgte erstmals auf Basis eines Anfang Oktober von der Europäischen Union mit Afghanistan geschlossenen Abkommens. Auch Schweden hat mit Rückführungen ausreisepflichtiger Afghanen begonnen. Die EU-Regierungen gehen davon aus, dass es in dem Land trotz anhaltender Kämpfe der Armee mit Taliban-Rebellen hinreichend sichere Gebiete gibt. Eine Einschätzung, die etwa die Internationale Organisation für Migration (IOM) teilt, aber bei Opposition und Menschenrechtsgruppen auf großes Unverständnis stößt.
Sind weitere solcher Aktionen geplant?
Ja. Die Bundesregierung will Rückführungen forcieren, setzt dabei aber vor allem auf freiwillige Ausreisen. Die Abmachung mit Afghanistan sieht vor, dass pro Flug bis zu 50 Menschen zurückgeführt werden können. Mehr ist derzeit aus logistischen Gründen nicht geplant. Dem Bundesinnenministerium zufolge soll es aus der EU nicht mehr als einen entsprechenden Flug pro Tag aus der EU geben.
Wie läuft das in Kabul ab?
Nach Angaben des Bundesinnenministeriums sollen die Menschen nicht einfach abgesetzt werden. Bei Reisen von EU-Vertretern in den vergangenen Wochen sei eine erste Infrastruktur für die Eintreffenden geschaffen worden. So seien Beratungsangebote und für Mittellose auch Handgelder vorgesehen. Nach Abschluss aller Formalitäten dürfen die Afghanen über ihre nächsten Schritte frei entscheiden, auch die aus Deutschland abgeschobenen Straftäter.
An Bord der Maschine mit den 34 Afghanen, die am Donnerstagmorgen in Kabul landete, waren 93 Begleitkräfte, darunter Bundespolizisten und medizinisches Personal. Empfangen wurden die Menschen demnach unter anderem von Vertretern des afghanischen Flüchtlingsministeriums, der deutschen Botschaft und von Nichtregierungsorganisationen.
Wie viele ausreisepflichtige Afghanen gibt es in Deutschland?
Von den rund 250 000 in Deutschland lebenden Afghanen sind nach Angaben des Bundesinnenministeriums derzeit rund 12 500 ausreisepflichtig. Etwa 11 500 davon sind geduldet. Das heißt, sie dürfen etwa wegen einer schweren Krankheit oder fehlender Papiere vorerst in Deutschland bleiben. Momentan gibt es in Deutschland etwa 206 000 Ausreisepflichtige, darunter ebenfalls viele Geduldete.
Das Innenministerium geht davon aus, dass sich die Zahl der ausreisepflichtigen Afghanen deutlich erhöhen wird. Grund: Viele Asylverfahren laufen noch. Die Bundesregierung setzt darauf, dass viele Afghanen freiwillig ausreisen und will dies durch ein weiteres Programm namens „Starthilfe plus“ fördern. Es soll im kommenden Jahr starten. In diesem Jahr reisten bislang mehr als 3200 Afghanen freiwillig aus, dem Ministerium zufolge eine Verzehnfachung im Vergleich zu 2015.
Wie viele Afghanen wurden zuletzt in ihre Heimat abgeschoben?
In diesem Jahr waren es bislang 29 abgelehnte afghanische Asylbewerber. Hinzu kommen nun die 34 vom Donnerstag. Vergangenes Jahr hatte es elf Abschiebungen von Afghanen gegeben.
Trägt der Steuerzahler die Kosten der Flüge?
Ja, aber nicht der deutsche Steuerzahler allein. Die Kosten werden von der EU-Grenzschutzagentur Frontex übernommen, die von EU-Ländern finanziert wird. Bei dem jüngsten Flug betrugen die Kosten dem Innenministerium zufolge etwa 350 000 Euro. Nicht eingerechnet sind darin die Personalkosten.