„Deutschlandtag“ Nüsseknacken in Dresden: Merkel trifft die Junge Union

Dresden (dpa) - Am Ende bleiben nur die Bayern stur. Während Hunderte im Saal minutenlang stehen und klatschen, die Niedersachsen mit ihren Deutschlandfähnchen wedeln, bleiben die Delegierten aus dem Süden demonstrativ sitzen.

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Sie recken der Kanzlerin blau-weiße Schilder entgegen. „Zuwanderung begrenzen“ steht darauf, „Ihr könnt doch mal Angie rufen!“ oder „Wir haben verstanden! Ihr auch?“

Eineinhalb Stunden lang stellt sich Angela Merkel am Samstag der Jungen Union in Dresden. Viele im Saal wollen der CDU-Chefin den Rücken stärken, die Reihen schließen. Doch die Bayern besänftigt sie nicht. Sie machen die Vorsitzende verantwortlich für die historische Schlappe bei der Bundestagswahl vor zwei Wochen. Für sie hat Merkel immer noch nicht verstanden. Angie ruft keiner.

Dabei war der „Deutschlandtag“ des Nachwuchses von CDU und CSU auch in der Vergangenheit selten ein Kaffeekränzchen für die Kanzlerin. Aber diesmal ist es der erste Auftritt nach dem Wahldesaster vor breitem Parteipublikum. Gerade vor dem kritischen, meist besonders konservativen Nachwuchs muss sie die massiven Verluste erklären. Und dann ausgerechnet in Dresden. Die sächsische Landeshauptstadt steht wie kein anderer Ort für das Scheitern der Union am 24. September. In Sachsen war die AfD sogar vor der CDU auf Platz eins gelandet.

Pegida-Pfeifkonzerte bleiben Merkel erspart. Nur eine Handvoll Wutbürger versammelt sich am Morgen vor dem Tagungszentrum an der Elbe. Unter Protest drängt die Polizei die Leute außer Sicht- und Hörweite auf eine kleine Grünfläche ab. Eine Prise Pöbelei bleibt der Kanzlerin trotzdem nicht erspart. Ein älterer Herr mogelt sich an der Polizei vorbei an den Eingang. „Frau Merkel, Sie sind eine Schande für Deutschland!“, schreit er, als die Kanzlerin die Treppe mit ihrem Tross erklimmt. „Treten Sie zurück!“

Enttäuschung und Frust schlagen Merkel auch im Saal entgegen. Beim Eintreffen, als JU-Chef Paul Ziemiak sie auf die teils empörte Stimmung im Saal einstimmt, versucht sie es mit Sarkasmus: „Man wächst mit seinen Herausforderungen.“ Viele hier sind sauer über die Weiter-So-Reaktion Merkels direkt nach der Wahl, geschockt von dem Einbruch der Union. Sie wollen abrechnen mit der angeschlagenen Kanzlerin.

Aber an ihrer Person will die Mehrheit trotzdem nicht rütteln. Als der Delegierte Diego Faßnacht aus dem Rheinisch-Bergischen Kreis Merkels Rücktritt fordert, buht der ganze Saal. Nur die Bayern klatschen. Merkel nippt am Kaffee. Kurz darauf sagt sie: „Ich fühle mich demokratisch legitimiert.“

Die CDU-Chefin ist im Verteidigungsmodus, weicht kaum einen Millimeter von ihren Positionen ab. Natürlich, das Wahlergebnis sei enttäuschend. Aber die Union sei weiter stärkste Kraft, habe einen klaren Regierungsauftrag. Sie habe sich Bankenkrise, Eurokrise und Flüchtlingskrise nicht ausgesucht. „Wer glaubt, ich hätte für zwei Selfie-Fotos die Leute eingeladen - das ist Kinderglaube.“

Die Union müsse nun rasch Gespräche mit Grünen und FDP Richtung Jamaika beginnen. Dabei will sie die Basis auf einem Parteitag einbinden - ein kleines Zugeständnis an den Nachwuchs. Nach zwei Stunden winkt sie kurz und verlässt über eine Seitentür den Saal.

Es ist ein starker Kontrast zum Vorabend. Da wird der Merkel-Kritiker Jens Spahn fast wie ein Popstar von der JU gefeiert. Die Parteijugend klatscht schon rhythmisch, bevor der 37-Jährige überhaupt ein Wort gesagt hat. Er spricht viel über Heimat, das bürgerliche Selbstverständnis, vor allem über die Flüchtlingspolitik Merkels. Eine Prise Populismus ist auch dabei, das kommt hier gut an. Manche sprechen im Anschluss von einer Bewerbungsrede für Größeres.

Die Frage ist nur: für welches Amt. Ein Ministerposten wird dem ehrgeizigen Staatssekretär des scheidenden Finanzministers Wolfgang Schäuble zugetraut. Auch als neuer Generalsekretär ist Spahn gehandelt worden. Aber ob Merkel tatsächlich einen ihrer schärfsten Kritiker zu einem ihrer wichtigsten Mitarbeiter macht? Wo Merkel doch vor allem auf Loyalität im eigenen Umkreis setzt?

Der JU-Chef Ziemiak gibt Merkel zum Abschied einen handgemachten Nussknacker mit auf den Weg. Den habe Spahn schließlich auch bekommen, sagt er. „Wenn Sie sich zusammentun, können Sie noch ganz andere Dinge bewältigen und Nüsse knacken.“ Eine richtig harte Nuss wartet auf Merkel schon am Sonntag. Dann will sie mit Seehofer und Co. den quälenden Knatsch über die Obergrenze aus der Welt schaffen.