Ökumene und Dialog - Franziskus reist in die Türkei
Rom/Istanbul (dpa) - Papst Franziskus bleibt der Tradition seiner Vorgänger treu: Wie Paul VI., Johannes Paul II. und Benedikt XVI. besucht auch der Argentinier relativ kurz nach seinem Amtsantritt die Türkei.
Die sechste Auslandsreise des 77-Jährigen steht vor allem im Zeichen der Ökumene. Aber auch die angespannte politische Lage im Nahen Osten führt dazu, dass der Besuch in dem muslimisch geprägten Land mit Spannung erwartet wird.
„Ich lade euch alle ein, zu beten, damit dieser Besuch (...) Früchte des Friedens, des ehrlichen Dialogs unter den Religionen und der Eintracht in der türkischen Nation bringt“, sagte der Papst bei seiner Generalaudienz am Mittwoch. Begleitet wird die Reise von strengen Sicherheitsvorkehrungen, allein in Istanbul sind türkischen Medienberichten zufolge etwa 7000 Polizisten im Einsatz.
Auch ein Treffen mit Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan ist Teil des straffen Terminplans - der Papst wird als erstes ausländisches Staatsoberhaupt in dem neuen Präsidentenpalast Erdogans empfangen. Das „Ak Saray“ („Weißer Palast“) genannte Anwesen ist umstritten, die regierungskritische Architektenkammer in Ankara nennt es einen Schwarzbau und rief Franziskus auf, es zu meiden.
„Der Papst geht, wie jeder höfliche Mensch, dorthin, wo ihn der Präsident empfangen will“, erklärte dazu Vatikan-Sprecher Federico Lombardi. Dennoch sind Beobachter gespannt, wie der Bescheidenheit predigende Franziskus in dem Prunk-Bau des Staatspräsidenten auftreten wird.
Franziskus reist genau wie vor acht Jahren Benedikt XVI. im November in die Türkei - Anlass ist das Patronatsfest der orthodoxen Kirche, das Andreasfest am 30. November. Dieses wird der Papst gemeinsam mit dem Patriarchen Bartholomäus feiern. Ein ökumenisches Gebet, ein privates Treffen und die Unterzeichnung einer gemeinsamen Erklärung stehen ebenso auf dem Programm. Es habe sich ein „brüderlicher und freundschaftlicher Dialog“ entwickelt, sagte Lombardi.
„Ich sehe dieser Begegnung mit großen Erwartungen entgegen“, sagte Professor Wolfgang Thönissen vom Institut für Ökumenik in Paderborn der Deutschen Presse-Agentur. „Man muss sehen, dass das Ganze einen hoch symbolischen Wert hat.“ Und auch der Patriarch freut sich auf das erneute Treffen mit Franziskus nach einer Begegnung im Mai in Jerusalem. Er werte dies als „wichtiges Zeichen der Verbundenheit von orthodoxer und katholischer Kirche“, erklärte Bartholomäus laut Radio Vatikan vor einigen Wochen.
Entgegen vieler Erwartungen fehlt auf dem offiziellen Reiseprogramm des Papstes jedoch eine Begegnung mit syrischen Flüchtlingen, die zu Hunderttausenden in der Türkei Zuflucht gesucht haben. Dies sei nicht geplant - aber natürlich könnten bei einigen Gelegenheiten in Istanbul auch Flüchtlinge anwesend sein, betonte Lombardi. Die Situation in der Türkei und damit auch im Nahen Osten werde zudem sicherlich ein Thema der Reise sein. Die Situation der christlichen Minderheit in der Region liegt dem Papst sehr am Herzen, erst vor wenigen Tagen hatte er ihnen erneut Mut zugesprochen.
Gerade wegen der oft unkonventionellen und spontanen Gesten des Argentiniers werden auch seine Besuche in der Hagia Sophia und in der Blauen Moschee gespannt verfolgt. Anschließend stehen für das Oberhaupt der katholischen Kirche eine Heilige Messe und das Treffen mit Katholiken an. Neben der großen islamischen Mehrheit leben nur knapp 100 000 Christen in der Türkei.
Christen und andere Minderheiten können ihre Religion zwar grundsätzlich ausüben, sie leiden aber unter Einschränkungen, wie auch der aktuelle EU-Fortschrittsbericht bemängelt. So darf die orthodoxe Kirche etwa keine Priester in der Türkei ausbilden. Ausländische Kleriker wiederum haben Probleme, eine Arbeitserlaubnis zu erhalten. Die islamische Religionsgemeinschaft der Aleviten kämpft für die Gleichstellung ihrer „Cemevi“ genannten Gebetshäuser.
„Der Besuch des Papstes dient nicht nur der Orthodoxie, sondern stärkt die Position aller Christen in diesem islamisch geprägten Land“, sagte Metropolit Augoustiunos, Vorsitzender der orthodoxen Bischofskonferenz in Deutschland, in der Deutschen Welle. Thönissen ist überzeugt davon, dass der Papst die Religionsfreiheit ansprechen wird. „Auf diese Freiheit wird der Papst sicher Wert legen, und das wird er in den Vordergrund stellen.“