Opposition sieht in Gipfel keine „Meisterleistung“
Berlin (dpa) - Opposition und Gewerkschaften haben den von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) als Meisterleistung gefeierten neuen Fiskalpakt in Europa als unzureichend kritisiert. Sparen allein werde die Schuldenkrise nicht lösen.
Auch habe Merkel beim Brüsseler Gipfel zentrale Forderungen wie automatische Sanktionen für Haushaltssünder und ein Klagerecht der EU-Kommission nicht durchsetzen können. DGB-Chef Michael Sommer sprach von einem „Etikettenschwindel“. Die Grünen kritisierten, Merkel habe mit der Idee eines Sparkommissars für Griechenland viel Porzellan in Europa zerschlagen.
Sommer kritisierte den Fiskalpakt, den 25 EU-Länder unterschrieben haben. „Er beantwortet überhaupt nicht die Frage, wie man zum Beispiel zu mehr Staatseinnahmen kommt“, sagte der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes im Deutschlandfunk. Das strikte Sparen mache die Staaten arm und handlungsunfähig. FDP-Chef und Wirtschaftsminister Philipp Rösler betonte dagegen in Berlin, das Problem sei erkannt: „Nur mit mehr Wachstum wird es gelingen, die Wettbewerbsfähigkeit der EU zu stärken und zu sichern.“
Außenminister Guido Westerwelle (FDP) hofft, dass Großbritannien und Tschechien - die als einzige der 27 EU-Länder den neuen Sparpakt ablehnen - später doch noch mitmachen. „Es ist jetzt unsere Aufgabe, die beiden Länder, die derzeit noch zurückhaltend sind, davon zu überzeugen, dass ihr Weg in Europa erfolgversprechender ist als ein Sonderweg am Rande Europas“, sagte Westerwelle während seiner Nahost-Reise in Ägyptens Hauptstadt Kairo. Die SPD warnte davor, vom Fiskalpakt und den aufgeweichten Schuldenbremsen Wunderdinge zu erwarten. „Die Schuldenbremse in Deutschland wird in den Himmel gehoben und als Vorbild für Europa gezeichnet“, sagte der SPD-Haushaltsexperte Carsten Schneider im rbb-Inforadio. Aber auch Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) trickse bei seinen Sparbemühungen. Das werde in anderen EU-Staaten auch nicht anders sein.
Nach Ansicht von Grünen-Fraktionschefin Renate Künast war es aus deutscher Sicht kein erfolgreicher Gipfel. „Ich finde das Paket unzulänglich“, sagte sie dem Sender n-tv. Statt einer Strategie für mehr Jobs in Europa gebe es hohle Phrasen. Merkels Debatte über einen Sparkommissar für Athen sei falsch gewesen: „Sie hat viele verprellt, sie ist mittlerweile isoliert.“
Linkspartei-Chefin Gesine Lötzsch sprach von einem „Pyrrhussieg“ für Merkel. „Die Kanzlerin fährt mit angezogener Schuldenbremse Europa tiefer in die Krise.“ Nach Griechenland werde mit dem Fiskalpakt nun ganz Europa in die Rezession getrieben.
Der Ökonom Clemens Fuest zweifelt am ernsthaften Sparwillen vieler EU-Länder. Beim Fiskalpakt habe man eher den Eindruck, „dass die Länder das unterschreiben, damit die Deutschen zufrieden sind. Das ist schon problematisch“, sagte der Schäuble-Berater im Deutschlandradio Kultur. Fuest forderte flexiblere Löhne und eine schärfere Bankenregulierung in Europa.