Paris verlangt von EU-Partnern Militärhilfe

Brüssel (dpa) - Muss sich die Bundeswehr deutlich aktiver im Kampf gegen den internationalen Terrorismus engagieren? Vielleicht sogar Seite an Seite mit Russland? Diese Frage könnte in den kommenden Tagen und Wochen ein neues Topthema für die deutsche Politik werden.

Foto: dpa

In einem beispiellosen Vorstoß verlangt Frankreich nach den Anschlägen von Paris unter Berufung auf die EU-Verträge militärische Unterstützung der anderen Mitgliedstaaten.

Nahezu gleichzeitig kündigt Kremlchef Wladimir Putin eine Zusammenarbeit mit Paris im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien an. Französische Streitkräfte sollten „wie Verbündete“ behandelt werden, befahl Präsident Wladimir Putin am seinen Militärs.

Zuvor hatte Russland offiziell mitgeteilt, dass ein Bombenanschlag Ursache für den Absturz der russischen Passagiermaschine über dem Sinai gewesen sei. Bei dem mutmaßlich vom IS verursachten Terrorakt waren Ende Oktober alle 224 Menschen an Bord ums Leben gekommen. In Paris hatten IS-Terroristen am vergangenen Freitag mehr als 120 Menschen getötet

Alle vereint im Kampf gegen den Terror? Selbst für Spitzendiplomaten kamen die Entwicklungen vom Dienstag völlig überraschend. Intensiv war am Wochenende hinter den Kulissen darüber diskutiert worden, ob nach den Anschlägen der sogenannte Nato-Bündnisfall ausgerufen werden könnte. Kaum jemand hatte allerdings auf dem Schirm, dass es auch im EU-Vertrag eine Beistandsklausel gibt. „Im Falle eines bewaffneten Angriffs auf das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats schulden die anderen Mitgliedstaaten ihm alle in ihrer Macht stehende Hilfe und Unterstützung (...)“, heißt es dort.

Der EU-Vertrag geht damit sprachlich sogar noch weiter als der Nato-Vertrag. Nach ihm müssen die Unterzeichner nur so viel Beistand leisten, wie sie „für erforderlich“ erachten und nicht so viel, wie sie können.

Welche zusätzliche Hilfe Frankreich von Deutschland erwartet, blieb am Dienstag zunächst unklar. Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian machte bei einem Treffen mit den EU-Amtskollegen lediglich klar, dass es ihm vor allem darum geht, die Kapazitäten für den Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien und im Irak zu erhöhen. Dies sei entweder über eine direkte Unterstützung in diesem Bereich oder über eine Entlastung der französischen Streitkräfte zum Beispiel bei Einsätzen in Afrika möglich. Details sollten in Kürze in Gesprächen mit den einzelnen EU-Partnerstaaten geklärt werden.

„Wir werden sehr genau hinhören, was Frankreich uns zu sagen hat, und aufmerksam auch analysieren, worum Frankreich uns bittet“, sagte Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) am Rande des Treffens. Sie wies darauf hin, dass eine Ausweitung des Anti-Terror-Einsatzes im westafrikanischen Mali bereits in Planung sei. Dort könnte die Bundeswehr im Rahmen der UN-Blauhelmmission Minusma auch im gefährlichen Norden des Landes eingesetzt werden und so französische Soldaten entlasten.

Im Kampf gegen den IS will sich die Bundesregierung eigentlich weiter auf Waffen- und Ausrüstungslieferungen für die im Nordirak gegen die Terrormiliz kämpfenden Kurden konzentrieren. Eine Beteiligung an Luftangriffen gegen IS-Stellungen wurde bislang ausgeschlossen.

Nach einem ersten Austausch zwischen von der Leyen und Drian gab es zumindest für die Öffentlichkeit nichts Neues. „Er hat in diesem Gespräch keine konkrete Bitte oder Forderung an Deutschland gestellt“, kommentierte von der Leyen.

Dass es dabei bleiben wird, glaubt in EU-Kreisen allerdings niemand. „Seit heute ist ganz klar, dass es hier nicht nur um Symbolik geht“, kommentierte ein Diplomat. Außergewöhnliche Ereignisse erforderten außergewöhnliche Antworten - so hatte Frankreichs Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian am Dienstag in Brüssel seinen EU-Amtskollegen die Verwendung von Artikel 42.7 erklärt.