Zurück in den Alltag: Paris erwacht aus dem Albtraum
Paris (dpa) - Die Scheiben der kleinen Brasserie „Aux II Académies“ sind beschlagen. Studenten der nahe gelegenen Pariser Sorbonne drängeln sich an der Theke in der Rue Bonaparte, sie stoßen mit Biergläsern an, es wird gelacht und diskutiert.
Auf den ersten Eindruck ein Abend wie so viele andere in den Straßen des berühmten Ausgehviertels der Metropole - laut und gemütlich. Ein Abend aber auch, der zeigt, dass die französische Metropole sich langsam wieder findet, das sie sich aufrichtet nach der verheerenden Terrorserie.
Mit ihren Anschlägen auf den ganz normalen Alltag, auf das Fußballstadion, den Musikclub, auf Restaurants und Cafés, trafen die islamistischen Killerkommandos das Pariser Leben ins Mark. Es fiel vielen schwer, danach zurückzukehren zur weltweit gefeierten französischen Lebensart.
Die Umsätze der Hotels, Restaurants und Cafés brachen nach den Schüssen und Explosionen vom Freitagabend ein. Museen und der Eiffelturm wurden gesperrt, Touristen verließen Paris in Scharen oder brachen gar nicht erst auf dorthin.
„Wir schwanken, aber wir gehen nicht unter“, zitiert Francine frei das lateinische Motto „Fluctuat nec mergitur“ aus dem Pariser Wappen. Die Politikstudentin sitzt mit einer Freundin vor dem „Aux II Académies“, sie raucht, sie erzählt und will danach noch weiterziehen. Vielleicht ins Marais-Viertel, in dem in der Rue de Bretagne die Weihnachtsbeleuchtung hängt. Oder Richtung Eiffelturm, der am Montag kurzzeitig geöffnet wird und die Urlauber anzieht, während am Fuße des Wahrzeichens das Militär patrouilliert.
Für Hoteliers und Gastronomen in Paris ist es Tage nach dem Grauen der Anschläge höchste Zeit, dass die Stadt zurückfindet: „Seit dem vergangenen Samstag hatten wir eine beträchtliche Welle von Stornierungen für die kommenden zwei oder drei Monate“, sagt Hoteldirektor Didier Le Calvez, Präsident des Luxuszweigs des Hotelverbandes, der Nachrichtenagentur AFP. Dabei habe sich die Branche gerade erst von den Auswirkungen des Attentats auf das Satiremagazin „Charlie Hebdo“ im Januar erholt.
Auch Bars, Kneipen und Cateringfirmen der Stadt rufen dazu auf, dem Terror zu trotzen. Der Gastronomie-Guide Fooding appelliert an alle Franzosen, am Dienstagabend in die Kneipe oder in ein Restaurant zu gehen, um der Terroropfer von Paris zu gedenken. „Lasst uns trotz der Tränen singen“, heißt es unter anderem in dem Aufruf, in dem auch eine Schweigeminute am Abend angeregt wird.
„Es ist wichtig, zu zeigen, dass das Leben weitergeht“, sagte Didier Chenet, der Präsident der französischen Gewerkschaft der Hoteliers, Gastronomen, Cafébesitzer und Caterer (Synhorcat). Die Umsätze der Pariser Einrichtungen seien am Wochenende um 60 Prozent gefallen im Vergleich zu einem normalen Samstag.
Das Leben ist auch dorthin zurückgekehrt, wo es sich vor allem in den Morgenstunden lautstark Gehör verschafft: auf die Straßen der Millionenstadt, auf die Boulevards und Avenues. Und so ziehen die Autos auch über den Boulevard Voltaire, vorbei am Musikclub „Bataclan“, in dem die Terroristen am Freitagabend mindestens 89 Leben ausgelöscht hatten.
Nicht weit entfernt bieten die Markthändler ihre Ware wieder an. Pariser prüfen das Obst, lassen das Gemüse wiegen. Sie sind zurückgekehrt, auf den Markt und in den Alltag.