Peer Steinbrück: Provokant und selbstbewusst
Berlin (dpa) - Er ist schlagfertig wie kaum jemand in der politischen Zunft. Scharfzüngige und witzige Formulierungen kommen Peer Steinbrück mühelos über die Lippen.
Etwa, als der SPD-Mann über die „Heulsusen“ in der SPD herzog. Oder der Schweiz im Steuerstreit mit der siebten Kavallerie von Fort Yuma drohte.
Sprachforscher haben sogar einen unverwechselbaren „Steinbrück-Sound“ ausgemacht. Typisch sind kurze und prägnante Sätze, oft angereichert mit provozierenden Thesen und stimmigen Pointen. Um komplexe Zusammenhänge etwa bei Finanzfragen verständlich zu machen, greift der 65-Jährige gern zu einfachen Vergleichen.
Die Sprachvirtuosität ist neben seiner anerkannten Kompetenz in Finanzfragen wohl das größtes Plus des Vaters von drei erwachsenen Kindern. Daraus resultierten auch seine enormen Beliebtheitswerte in den letzten drei Jahren, als er sich als Hinterbänkler im Bundestag schon langsam auf den Ausstieg aus der Politik vorbereitete.
Doch nach seinem überraschenden Comeback wurden diese Talente dem mit einer Studienrätin verheirateten Politiker fast zum Verhängnis. Auch einer breiten Öffentlichkeit wurde jetzt bekannt: Banken, Investmenthäuser und Sparkassen standen regelrecht Schlange, um Steinbrück als Redner zu gewinnen. Wegen des hohen Unterhaltungswerts seiner Vorträge waren fünfstellige Honorare die Regel.
Diese Aktivitäten fielen Steinbrück schmerzhaft auf die Füße, nachdem er Anfang Oktober in einer Art Sturzgeburt zum designierten Kanzlerkandidaten ausgerufen worden war. Wochenlang kam er kaum aus der Defensive heraus. Selbst mit der Veröffentlichung der Beträge war die Sache nicht ausgestanden.
Auch einem „Sozi“ müsse es erlaubt sein, Geld zu verdienen, verteidigte sich Steinbrück. Eine recht selbstbewusste Einstellung dazu hat er schon früh entwickelt. Gern erzählt Steinbrück die Anekdote, wie er Anfang der 1980er Jahre als junger Referent in Bonn eine Rede für den damaligen Forschungsminister Hans Matthöfer schrieb. Er habe seinem Parteifreund vorgeschlagen, beim Honorar „Halbe-Halbe“ zu machen. Der habe davon aber nichts wissen wollen.
Ein Markenzeichen Steinbrücks ist sicher auch die Schonungslosigkeit, mit der er sich die eigene Partei im Stil von Helmut Schmidt zeitweise immer wieder vorknöpfte. In seinem Buch „Unter dem Strich“ zog er über die „Jakobiner“ in SPD-Hinterzimmern her, die nichts anderes gelernt hätten als Politik. Geradezu verächtlich sprach er von „Wortführern“ in der SPD, deren Einfluss in umgekehrtem Verhältnis zu ihrem persönlichen Wahlerfolg stehe.
Kritiker rieten ihm nicht ohne Häme, mit solchen Anklagen besser vorsichtig zu sein. Sie könnten auf ihn selbst zurückfallen. Schließlich habe Steinbrück gleich zweimal in Spitzenämtern krachend verloren. 2005, als er als Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen mit seiner Niederlage bei der Landtagswahl der CDU in die Regierung verhalf. Und auch an der „historischen“ SPD-Schlappe von 2009 im Bund sei Steinbrück als Mitglied der Führung - die Gerhard Schröders Agenda-Politik stets mitgetragen habe - durchaus beteiligt gewesen.
Keinen Anlass, selbstherrlich mit den Fingern auf Andere zu zeigen, gebe auch Steinbrücks eigene Karriere - ohne eigentlichen Brotberuf, vom politischen Laufbahnbeamten bis an die Spitze. Auch dessen großbürgerlicher Hintergrund oder der Leutnantrang in der Bundeswehr war vielen lange suspekt.
Die SPD-Kanzlerkandidatur ist eigentlich Steinbrücks erster richtiger Sieg in einem Wahlamt. Und dieser Erfolg fiel ihm praktisch in den Schoß - weil nur er unbedingt wollte und seine beiden Mitbewerber Frank-Walter Steinmeier und Sigmar Gabriel von sich aus verzichteten.
Wie dem auch sei: Im Wahlkampf warten auf Steinbrück schwere Aufgaben. In der großen Koalition präsentierten sich Angela Merkel und er meist als harmonisches Gespann. Gemeinsam versicherten sie 2008 auf einem der inzwischen vielen Höhepunkte der Finanzkrise den Bürgern, sie brauchten sich um ihre Sparguthaben nicht sorgen. Diese Bilder sind vielen im Gedächtnis geblieben.
Eine Neuauflage dieser Konstellation wird es 2013 aber keinesfalls geben, sollte es für Rot-Grün nicht reichen. Mit seiner Ankündigung, auf keinen Fall noch einmal in ein Kabinett Merkel zu gehen, steht Steinbrück fest im Wort.