Kleiner Grenzverkehr Per Ruderboot über den Rio Grande

Boquillas del Carmen (dpa) - Adrian Valdez legt sich in die Riemen: 18 Ruderschläge, dann läuft sein Aluboot sanft knirschend auf die Sandbank auf. 18 kräftige Züge, mehr trennt Mexiko und die USA nicht am Rio Grande zwischen dem Dorf Boquillas del Carmen und dem Big Bend Nationalpark in Texas.

Foto: dpa

„Ich fahre jeden Tag in die USA, um Touristen abzuholen. Aber ich gehe nie an Land. Ich habe kein Visum“, sagt Valdez. Er ist der Fährmann des „International Ferry Service“ am Rio Grande. Was nach einem großen Fährbetrieb klingt, ist ein kleines Familienunternehmen: Etwa 40 Besucher pro Tag schippert er über den Fluss.

US-Präsident Donald Trump will an der Grenze zwischen den USA und Mexiko eine Mauer errichten, um Drogenschmuggel und illegale Einwanderung zu stoppen. Auf etwa 1000 Kilometern ist die Grenze bereits mit hohen Metallzäunen gesichert. Beamte der Border Patrol patrouillieren auf Quads, in Jeeps und zu Pferd. Drohnen überwachen den Luftraum, Schnellboote jagen die Küsten entlang. An den Übergängen zwischen Tijuana und San Diego sowie zwischen Ciudad Juárez und El Paso gibt es strenge Kontrollen. In Boquillas del Carmen hingegen steht die Grenze sperrangelweit offen.

Wer dort aus Mexiko in die USA einreist, legt in der kleinen Grenzstation seinen Pass auf den Scanner, blickt in die Kamera und ruft beim Grenzschutz im über 500 Kilometer entfernten El Paso an. „Wie lange waren Sie in Mexiko?, „Haben Sie etwas gekauft?“, „Wie viel Bargeld haben Sie bei sich?“, fragt die Beamtin. Wenn alles in Ordnung ist, darf man passieren. „Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag, Sir.“ Um 17.00 Uhr schließt der Grenzposten, zwei Tage pro Woche ist er ganz zu.

Der Rio Grande ist bei Boquillas del Carmen nur hüfttief. Grenzschutzanlagen gibt es dort nicht. Illegal die Grenze zu überqueren, ist in der abgelegenen Gegend zwischen dem US-Bundesstaat Texas und der mexikanischen Provinz Coahuila ein Kinderspiel.

Die Gefahr lauert hinter der Grenze. Bis zum nächsten größeren Ort Marathon auf der US-Seite sind es knapp 150 Kilometer. Dazwischen nichts als Wüste, Gestrüpp und Berge. Im Winter fallen die Temperaturen nachts unter den Gefrierpunkt, im Sommer steigen sie zur Mittagszeit auf 45 Grad.

Auf mexikanischer Seite sieht es noch schlechter aus. Boquillas del Carmen ist der letzte Außenposten, bis zum nächsten größeren Ort Múzquiz sind es vier Stunden im Auto. Zudem ist die Gegend extrem gefährlich. Im Hinterland hat das für seine Brutalität bekannte Verbrechersyndikat „Los Zetas“ das Sagen.

Die Gangster verschleppen immer wieder Migranten aus Mexiko und Mittelamerika und fordern Lösegeld von deren Familien. Wer nicht zahlen kann, muss Drogen für das Kartell über die Grenze bringen. Bei verschiedenen Massakern im Norden von Mexiko töteten die Zetas in den vergangenen Jahren Hunderte Migranten.

„Hin und wieder greifen wir illegale Einwanderer auf, aber es sind bei weitem nicht so viele wie in anderen Abschnitten“, sagt der US-Grenzschutzbeamte Ruben Sánchez. Mit seinen Kollegen patrouilliert er im Hinterland der Grenze. Auf der Landstraße nach Marathon hat die Border Patrol einen Kontrollposten errichtet. Wärmebildkameras durchleuchten die Autos, Fahrer müssen ihre Papiere vorlegen.

„Manchmal finden wir illegale Migranten im Nationalpark“, sagt Park-Ranger Michael Ryan. „Oft müssen wir sie dann erstmal versorgen, bevor wir sie dem Grenzschutz übergeben.“ Auf ihrem Weg durch die Wüste verletzen sich immer wieder Einwanderer oder die Wasservorräte gehen ihnen aus. „Wenn jemandem etwas zugestoßen ist oder sie kurz vor dem Verdursten sind, kommt meist einer aus der Gruppe an die Straße, macht auf sich aufmerksam und führt uns zu den anderen“, sagt Ryan. Im Prospekt des Nationalparks werden Besucher davor gewarnt, Anhalter mitzunehmen.

In den großen Wüsten auf der mexikanischen Seite geraten illegale Einwanderer oft schon in Gefahr, bevor sie die Grenze zu den USA überhaupt erreichen. Die Gruppe Beta, eine Spezialeinheit der Einwanderungsbehörde, rettete im vergangenen Jahr fast 5000 Migranten aus brenzligen Situationen, die meisten im Norden des Landes.

Von Trumps Mauerplänen halten die Menschen im mexikanischen Grenzort Boquillas del Carmen wenig. „Was soll das?“, fragt Fährmann Valdez. „Wir haben hier riesige Wüsten und hohe Berge. Das ist wie eine natürliche Mauer.“