Polen feiern „ihren“ Heiligen Johannes Paul II.
Warschau (dpa) - Eine Gruppe von Nonnen hat schon eine halbe Stunde vor der Übertragung der Kanonisierungsmesse Plätze in der ersten Reihe des Warschauer Pilsudski-Platzes erobert. Andere Klosterschwestern kommen in letzter Minute, den Rosenkranz in der einen Hand, den Klappstuhl in der anderen.
Auf gute Sicht auf die Großleinwände müssen sie dennoch nicht verzichten: Auf dem Platz, zu dem bei der letzten Pilgerreise von Johannes Paul II. in seine polnische Heimat Zehntausende geströmt waren und der nach dem Tod des polnischen Papstes mit Trauernden überfüllt war, sind nur ein paar Tausend Menschen erschienen.
„Das sieht nur nach so wenigen Menschen aus, weil der Platz so riesig ist“, versichert eine Freiwillige des Zentrum des Denkens von Johannes Paul II. Doch während sich Rundfunk- und Fernsehkommentatoren von Begeisterung überschlagen, scheint die Euphorie nicht so recht die „Strefa Jana Pawla“ zu erreichen, die gewissermaßen als Fanzone zum „public viewing“ der Heiligsprechung auf dem Pilsudski-Platz eingerichtet worden ist. Das nasskalte Wetter dämpft die Stimmung.
Auf diesem Platz hatte Johannes Paul II. einst zur „Erneuerung der Erde - dieser Erde“ aufgerufen. Als er starb, schien die öffentliche Trauer in Polen unermesslich. Am Sonntag der Heiligsprechung täuschen auch die polnischen und Kirchenfahnen entlang der Warschauer Prachtstraße Nowy Swiat nicht darüber hinweg, dass für die Mehrheit der Polen das Leben weiter gegangen ist.
„Ich bin hier, weil ich gute Erinnerungen mit Johannes Paul verbinde“, sagt die 57-jährige Elzbieta Stasiewicz aus Warschau. Auch zahlreiche junge Menschen haben sich unter dem bleigrauen Himmel versammelt. Gewerkschafter mit „Solidarnosc“-Halstuch haben T-Shirts mit dem Konterfei von Johannes Paul II. übergezogen. Ein kleiner Junge schwenkt eine Fahne mit dem Bild des polnischen Papstes, während sein Bruder auf der mitgebrachten Picknickdecke sitzt und in seinem Malbuch kritzelt. Mirek Kosinski hat seinen sechsjährigen Sohn Marcin auf die Schultern gehoben. „Er hat Jan Pawel ja nicht selbst erlebt. Aber später kann er sich hieran erinnern“, sagt er.
Beifall brandet auf, als Johannes Paul II und Johannes XXIII heiliggesprochen werden, Fahnen werden geschwenkt. Doch die meisten Verkäufer, die auf ein Geschäft mit Wojtyla-Artikeln hofften, bleiben auf ihrer Ware sitzen. Von Devotionalien mit dem Bild von Johannes XXIII. ist gar nichts zu sehen. „Ich dachte, das läuft besser“, gibt ein Andenkenverkäufer missmutig zu. „Aber die guten alten Zeiten sind vorbei.“