Porträt: Chodorkowski trotz Haft „ungebrochen“
Moskau (dpa) - Russlands bekanntester Häftling ist sich nach mehr als sieben Jahren Haft im sibirischen Straflager treugeblieben. Er sei ungebrochen, wurde der Kremlkritiker Michail Chodorkowski nicht müde zu betonen.
Äußerlich gelassen hatte der 47-Jährige monatelang in dem zweiten Verfahren wegen Unterschlagung und Geldwäsche in einem Moskauer Gerichtssaal in einem Käfig aus kugelsicherem Glas gesessen. Die Anschuldigungen verfolgte der in zweiter Ehe verheiratete Vater von vier Kindern meist mit einem ironischem Lächeln.
Das Urteil von Richter Viktor Danilkin sehen Kritiker weltweit als politisch motiviert. Regierungschef Wladimir Putin wolle seinen noch immer einflussreichen und finanzstarken Erzfeind über die Präsidentenwahl 2012 hinaus politisch kaltstellen, lautet der Vorwurf.
Bei seiner Festnahme 2003 war Chodorkowski im Volk als Vertreter des postsowjetischen Raubtierkapitalismus unbeliebt. Dass er in einem sibirischen Straflager gefangen gehalten wurde, entlockte vielen Russen nicht mehr als ein Schulterzucken. Doch mittlerweile ist der einst reichste Mann des Landes für viele ein Symbol für den Widerstand gegen die autoritäre Politik seines Erzfeindes Putin. Das Gesicht mit der randlosen Brille und den kurz geschorenen Haaren ziert schon längst Protestplakate.
Unbeugsam kündigte Chodorkowski an, er werde gegen einen Schuldspruch bis vor den Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg ziehen. Eine Begnadigung durch Präsident Dmitri Medwedew lehnt er ab - denn dafür müsste Chodorkowski seine Schuld eingestehen. Stattdessen beharrt er auf seiner Unschuld. Aus dem Straflager nahe der chinesischen Grenze, wo er seine erste achtjährige Haft wegen Betrugs und Steuerhinterziehung verbüßt, hat Chodorkowski in schriftlichen Interviews mit westlichen Medien immer wieder das „autoritäre System Putins“ angeprangert.
Für den amtierenden Kremlchef Medwedew findet Chodorkowski allerdings auch immer wieder warme Worte. „Persönlich sind mir Werte und Prioritäten, wie sie Medwedew vertritt, näher und verständlicher als die Putins“, sagte der Milliardär etwa im Frühling. „Medwedew versucht, das System zu reformieren.“
Rasch baute der am 26. Juni 1963 in Moskau geborene Chodorkowski nach dem Ende des Kommunismus vor 20 Jahren ein Imperium auf. Ob Handel mit Gorbatschow-Matrjoschka-Puppen, Computern oder Cognac: Der studierte Chemiker hatte riesigen Erfolg. Mit Freunden und einer randvollen Kasse gründete er schließlich eine Bank und sicherte sich für nur 300 Millionen US-Dollar (heute etwa 227 Millionen Euro) ein Kontrollpaket an Ölförderern. Daraus entstand der russische Ölkonzern Yukos, der bald zum größten im Land aufstieg. Chodorkowskis Vermögen wurde auf bis zu 15 Milliarden Dollar geschätzt.
Doch dann verstieß der Ölunternehmer gegen das ungeschriebene Gebot des Kreml: Die Machtelite lässt die Oligarchen gewähren, im Gegenzug mischen sich diese nicht in die Politik ein. Stattdessen legte sich der erfolgreiche Manager mit dem damaligen Präsidenten Putin an und finanzierte die Opposition. Zudem warf er der Führung Korruption vor und verhandelte mit US-Unternehmen über einen Einstieg bei Yukos. Warnungen schlug er in den Wind - am 25. Oktober 2003 wurde Michail Borissowitsch Chodorkowski bei einer Zwischenlandung in Nowosibirsk aus seinem Privatjet heraus festgenommen.