Porträt: Gaddafi - Dauer-Machthaber mit Größenwahn
Tripolis/Istanbul (dpa) - Muammar al-Gaddafi (69) hat zwar die Monarchie in Libyen abgeschafft. Doch zum Ende seiner Herrschaftszeit hat er sich selbst den Titel „König der Könige von Afrika“ gegeben.
Er hielt sich für unfehlbar und konnte Niederlagen nicht eingestehen.
Sein Größenwahn vernebelte ihm schließlich so sehr den Blick, dass er nicht verstehen konnte, weshalb die Mehrheit des libyschen Volkes im Frühjahr 2011 seinen Sturz forderte. Da Kritik am „Bruder Führer“ von Gaddafi stets mit Haft und Folter geahndet worden war, wussten die libyschen Revolutionäre von Anfang an, dass sie viel riskierten.
Auch nach Beginn des Aufstandes im Osten Libyens Mitte Februar gab Gaddafi noch markige Parolen aus: „Wir können jeden Angriff abwehren und das Volk bewaffnen, wenn nötig“, sagte er. Die Revolutionäre beschimpfte er als „Ratten“, die er bis zur letzten Patrone bekämpfen werde.
Gaddafi hätte nach seiner der Machtergreifung 1969 am liebsten gleich die gesamte arabische Welt mit seiner hausgemachten Volksbefreiungsideologie beglückt. Doch die Araber zeigten ihm die kalte Schulter. Enttäuscht wandte er sich den Afrikanern zu, die ihn dank großzügiger Spenden gerne in ihrer Mitte aufnahmen.
Gaddafi wurde mit den Jahren immer neurotischer und aufbrausender. Er misstraute fast jedem. Er achtete darauf, dass niemand außer ihm selbst in Libyen Berühmtheit erlangte und verließ sich zuletzt bevorzugt auf die eigene Familie.
Gaddafi führte sein Land erst von der Monarchie in eine Art Volksrepublik. Dann sorgte er dafür, dass Libyen international als einer der Hauptsponsoren des Terrorismus gebrandmarkt und mit Sanktionen belegt wurde.
Im Jahr 2003 verkündete er dann plötzlich, Terror und Aufrüstung seien sinnlos. Deshalb werde er nun die Unterstützung von Extremistengruppen beenden und alle Programme zur Entwicklung von Massenvernichtungswaffen einstellen. Belohnt wurde Gaddafi für diese Kehrtwende mit verbesserten Beziehungen zu mehreren westlichen Staaten. Besonders eng wurde der Kontakt zu Italien - wohl auch, weil sich Gaddafi und der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi auf der menschlichen Ebene bis zuletzt gut verstanden hatten.
Wenn seine Herrschaftsform kritisiert wurde, behauptete Gaddafi stets, in Libyen regiere das Volk. Das von ihm geschaffene System war jedoch so korrupt und ineffektiv, dass der Lebensstandard in Libyen trotz der großen Öl-Reserven nicht besonders hoch war. Obwohl Gaddafi kein öffentliches Amt bekleidet, ging ohne seinen Segen in Libyen in den vergangenen vier Jahrzehnten fast nichts. Viele Weggefährten aus den Revolutionsjahren stieß er später vor den Kopf.
Gaddafi, der 1942 als Sohn eines nomadisierenden Bauern in der Nähe der Stadt Sirte geboren wurde, liebte den Kult um seine Person. Er ließ seine Fotos überall aufhängen. Wenn er in New York oder Brüssel weilte, schlief er in einem luxuriösen Zelt. Er trug bunte Gewänder mit klimpernden Orden, ließ sich von weiblichen Leibwächtern schützen und machte sich einen Spaß daraus, Staatsgäste vor laufenden Fernsehkameras zu brüskieren.
Nach dem Einmarsch der Rebellen in Tripolis verschwand er zunächst mit unbekanntem Ziel. Seinen Traum von der Rückkehr an die Macht gab er jedoch nicht auf. Zuletzt meldete er sich aber nur noch telefonisch bei einem obskuren arabischen Fernsehsender.