Porträt: Thomas Südhof - Visionär mit Super-Gedächtnis
Göttingen/Stockholm (dpa) - Er ist nicht zu Hause geblieben und hat auf den Anruf aus Stockholm gewartet. Dass er den Medizin-Nobelpreis erhält, erfuhr der Neurowissenschaftler Thomas Südhof (57) auf dem Weg zu einem Zellbiologie-Kongress in Andalusien.
„Wir sind alle außer uns“, sagt Nils Brose, Direktor am Max-Planck-Institut für experimentelle Medizin, der mit Südhof in Dallas und Göttingen zusammengearbeitet hat.
In Fachkreisen galt der vielfach ausgezeichnete Biochemiker und Neurobiologe schon länger als Aspirant für den wichtigsten Wissenschaftspreis weltweit. Südhof habe als erster erkannt, welche methodischen Ansätze nötig sind, um die Synapsen zu verstehen, sagt Brose. In seinem Labor an der renommierten Stanford Universität in Kalifornien erforscht der gebürtige Niedersachse unter anderem die molekularen Grundlagen von Krankheiten wie Alzheimer oder Autismus.
Südhof wuchs in Göttingen und Hannover auf, in Hannover machte er an der Waldorfschule 1975 Abitur. Er habe sich als Schüler für sehr viele Fächer interessiert, mit Ausnahme von Sport, beschreibt der Spitzenforscher in einer kurzen Autobiografie, die 2010 anlässlich der Verleihung des norwegischen Kavli-Preises veröffentlicht wurde. Der Sohn zweier Ärzte studierte in Göttingen Medizin und forschte für seine Doktorarbeit am Max-Planck-Institut für physikalische Chemie. Bereits 1983 zog er in die USA und arbeitete in Texas im Labor von Michael Brown and Joseph Goldstein, die 1985 den Nobelpreis bekamen.
Von 1995 bis 1998 kehrte der Wissenschaftler in seine Heimat zurück und baute am Göttinger Max-Planck-Institut für experimentelle Medizin ein Labor auf. Sein Lebensmittelpunkt blieb aber Amerika. Nach Meinungsverschiedenheiten mit der neuen Führung der Max-Planck-Gesellschaft sah Südhof seine berufliche Zukunft dann doch wieder in den USA, wie er 2010 schrieb. Die wissenschaftlichen Bande zu den Göttinger Kollegen habe er aber nie verloren, erklärten die niedersächsischen Forschungsinstitute am Montag.
Südhof begann als Biochemiker, er ist Zellbiologe, Genforscher, Physiologe und Hirnforscher. Nils Brose ist schon lange von der akribischen Arbeitsweise des Medizin-Nobelpreisträgers beeindruckt. So kenne der 57-Jährige beispielsweise die Projekte der Doktoranden in seinem Labor in- und auswendig. „Er hat ein außerordentliches Gedächtnis. Das habe ich sonst noch nirgendwo gesehen.“
Die traditionsreiche Studentenstadt in Südniedersachsen bietet offenbar einen guten Nährboden für künftige Spitzenforscher. Thomas Südhof ist nach Hochschulangaben der 45. Nobelpreisträger, dessen wissenschaftliche Laufbahn mit der Universität Göttingen verknüpft ist.