Pro & Contra: Verfassungsrechtliche Probleme beim SPD-Mitgliederentscheid?
Karlsruhe (dpa) - Ist es gelebte Demokratie, wenn die Mitglieder der SPD über die Koalition mit CDU und CSU entscheiden dürfen? Oder ist es verfassungsrechtlich bedenklich, wenn die 474 820 Genossen quasi zweimal wählen dürfen?
Pro und Contra:
Bedenken hatte vor allem der Leipziger Staatsrechts-Professor Christoph Degenhart geäußert - ein Schwergewicht seines Fachs. Er halte die Befragung der Mitglieder zwar nicht für direkt verfassungswidrig, sagte Degenhart am Freitag der Nachrichtenagentur dpa. „Ich habe aber verfassungsrechtliche Bedenken. Mir geht das Ganze zu sehr in Richtung eines imperativen Mandats - es widerspricht der Intention der Verfassung.“
Das Hauptargument: Auch wenn die Mitgliederbefragung für die Abgeordneten nicht formell verbindlich ist, komme das Ergebnis einer Weisung nahe. Das könnte einen Konflikt zum Grundsatz des freien Mandats nach Artikel 38 des Grundgesetzes bedeuten.
Andere Professoren widersprechen. Johannes Dietlein von der Universität Düsseldorf betont, es gehe nicht um eine rechtliche Bindung, „sondern um eine politische Entscheidung, das Votum der Mitglieder zu berücksichtigen“. Und: „Nach dem Grundgesetz ist es Aufgabe der Parteien, an der politischen Willensbildung mitzuwirken“, sagt Julian Krüper von der Universität Bochum. „Das bedeutet: auch an der auszuhandelnden Vorbereitung parlamentarischer Entscheidungen wie der Kanzlerwahl.“
Der Düsseldorfer Parteienrechts-Experte Martin Morlok hält die Debatte gar für „absurd“. „Der Abgeordnete ist frei. Er ist auch frei, von wem er sich beeinflussen lassen will.“ Es entspreche der Logik der Parteiendemokratie, dass die Abgeordneten von den Parteien aufgestellt werden und sich an ihrer Partei orientieren. „Es muss eine enge Verbindung zwischen Partei und Abgeordnetem geben, sonst bräuchte man keine Parteien zu wählen.“ Üblicherweise billige ein Parteitag eine Koalition. „Warum soll es unzulässig sein, wenn man stattdessen direkt die Basis fragt?“