Ratingagentur: Frankreich versehentlich abgestuft
Paris/Frankfurt (dpa) - Mitten in der Euro-Schuldenkrise hat die Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) Frankreich versehentlich die Top-Bonität aberkannt - und damit das zweitgrößte Euro-Land geschockt.
Finanzminister François Baroin forderte in einer am späten Donnerstagabend in Paris verbreiteten Erklärung die Aufsichtsbehörde für die europäischen Finanzmärkte zu einer Untersuchung auf.
Die Agentur selbst klärte den Fehler erst Stunden nach dem Vorfall auf: Eine entsprechende E-Mail sei an einige Abonnenten der S&P-Internetseite versendet worden. Standard & Poor's sprach von einem „technischen Fehler“. Man wolle die genaue Fehlerquelle untersuchen.
Bei Analysten provozierte der Vorfall kritische Fragen: „Wie kann denn so etwas passieren?“, hieß es beim Frankfurter Bankhaus Metzler. „Wir haben in den vergangenen Wochen bereits etliche nicht nachvollziehbare Entwicklungen beobachten dürfen - doch das versehentliche Verlautbaren einer Ratingverschlechterung ist der bisherige Höhepunkt.“
Trotz der Erklärung seitens S&P bleibt für die Metzler-Analysten ein „sehr fader Beigeschmack“: Selbst im Falle eines Irrtums müsse die Meldung schließlich irgendjemand verfasst haben. „In einer Phase, in der der Markt ohnehin über die Bonität der Franzosen spekuliert, ist das ein nicht zu entschuldigender Fehltritt.“ Auch für Folker Hellmeyer, Chef-Analyst der Bremer Landesbank, „stellt sich die Frage, wie ein Text vorbereitet sein kann, wenn es dazu gar keine Absicht gibt“.
Die Panne hätte zu kaum einem ungünstigeren Zeitpunkt passieren können: Bereits vorher waren die Risikoaufschläge französischer Staatsanleihen zu den als extrem sicher geltenden deutschen Staatsanleihen auf Rekordhöhe gestiegen - mittlerweile liegen sie bei knapp 1,6 Prozent. In diesem hochnervösen Umfeld verschickte die Agentur dann am Abend ihre E-Mail.
Am Freitag beruhigte sich die Lage am französischem Anleihemarkt nur leicht. Am Donnerstag hatte die Rendite für zehnjährige französische Staatstitel einen Sprung um rund 0,3 Prozentpunkte hingelegt, der laut Händlern zumindest teilweise auf den Patzer von S&P zurückging. Die Rendite des französischen Zehn-Jahres-Papiers lag am Freitag bei 3,4 Prozent und damit nur leicht unter dem Höchststand vom Donnerstag.
Derweil hat sich die Lage für italienische und griechische Staatsanleihen zum Wochenausklang entspannt. Nachdem die Risikoaufschläge für italienische Staatstitel bereits am Donnerstag merklich gesunken waren, gingen sie auch am Freitag spürbar zurück. Deutlich geringere Risikoaufschläge muss Griechenland zahlen, nachdem dort der Weg für eine Übergangsregierung frei wurde.
In Italien sank die Rendite der richtungsweisenden zehnjährigen Anleihe um gut einen Viertel Prozentpunkt auf rund 6,6 Prozent. Am Mittwoch war die Rendite deutlich über sieben Prozent gesprungen. In der Nähe dieses Renditeniveaus, das unter Experten über längere Zeit als nicht tragfähig gilt, hatten die Euro-Länder Griechenland, Irland und Portugal mit Finanzhilfen gerettet werden müssen.