Reaktionen auf Schlecker-Aus tief gespalten
Ehingen/Hamburg (dpa) - Die Reaktionen auf das endgültige Aus für die insolvente Drogeriekette Schlecker reichen von Zustimmung bis hin zu blankem Entsetzen.
So bezeichnete der große Schlecker-Gläubiger Euler Hermes das Ende als alternativlos. „Man kann nur retten, wenn auch ein Retter da ist“, sagte ein Sprecher des Kreditversicherers aus Hamburg am Freitag der Nachrichtenagentur dpa in Stuttgart. Schlecker schuldet den Hamburgern rund 300 Millionen Euro. Dem Sprecher zufolge reichten die Angebote möglicher Investoren nicht aus. Auch ein Teilverzicht auf Forderungen wäre kein gangbarer Weg gewesen, da der Kette insgesamt die Perspektive fehle. Daher sei ein Ende mit Schrecken der bessere Weg als ein Schrecken ohne Ende.
Ganz anders sieht das die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, laut der die Beschäftigten die Abwicklung „mit Wut, Trauer, Entsetzen und Enttäuschung“ aufgenommen hätten. „Das ist eine absolute Hiobsbotschaft und eine menschliche und soziale Katastrophe für die fast 15 000 Schlecker-Frauen und ihre Familien“, ließ die Schlecker-Gesamtbetriebsratsvorsitzende, Christel Hoffmann, erklären.
Verdi sieht die Politik nun in der Pflicht. Denkbar seien ein Sonderfonds oder andere staatliche Hilfen. Im März hatten die Parteien vergeblich darum gerungen, eine Transfergesellschaft zu finanzieren. Vor allem die FDP-Wirtschaftsminister wollten nicht.
Verdi-Chef Frank Bsirske kritisierte, dass die „Weigerung“ insbesondere der FDP eine Flut an Kündigungsschutzklagen ausgelöst und die Suche nach Investoren massiv behindert habe. „Dieses Mal kann sich die Politik nicht vor ihrer Verantwortung drücken“, ließ der Gewerkschaftschef erklären.
Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) nannte es bedauerlich, dass kein Investor gefunden worden sei. Er könne die Sorgen der Mitarbeiterinnen verstehen. „Sie können sich aber auf das umfangreiche Hilfsangebot der Bundesagentur für Arbeit verlassen.“ Der Arbeitsmarkt biete derzeit im Einzelhandel viele Chancen.
Rösler betonte zugleich: „Grundsätzlich gilt in der sozialen Marktwirtschaft, dass es nicht Aufgabe des Staates ist, Unternehmen zu retten.“ Dies wäre wettbewerbsverzerrend und würde an anderer Stelle viele Arbeitsplätze kosten.
FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle gab den Gewerkschaften eine Mitschuld. Die Pleite liege zuallererst an unternehmerischen Fehlentscheidungen, sagte er dem „Tagesspiegel“ (Samstag): „Aber auch die Gewerkschaften haben mit ihren wiederholten Aufrufen zum Käuferstreik bei Schlecker dazu beigetragen, dass die Marktposition von Schlecker gegenüber den Mitbewerbern geschwächt wird.“
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kündigte an, die Bundesregierung wolle sich über die Agentur für Arbeit um entlassene Mitarbeiter kümmern. „Wir müssen die Entscheidung zur Kenntnis nehmen, die die Gläubiger gefällt haben“, sagte die Kanzlerin.
Die baden-württembergische Verdi-Landesbezirksleiterin Leni Breymaier warf der Politik massive Versäumnisse vor. „Dass ein Einzelkaufmann Anton Schlecker ohne jede demokratische Kontrolle nahezu 30 000 Menschen beschäftigen konnte, ist auch ein Ergebnis der politisch gesetzten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen.“ Schlecker hatte sein Drogerieimperium mit der Rechtsform eingetragener Kaufmann (e.K.) von Transparenzpflichten so gut wie befreit.
Die in der Schlecker-Heimat Baden-Württemberg regierende SPD schob den Schwarzen Peter ebenfalls den Liberalen zu. Fraktionsvorsitzender Claus Schmiedel erklärte: „Die FDP hat ein hohes Maß an Schuld am Scheitern der Schlecker-Rettung. Es wäre völlig unproblematisch und ohne Risiko für die öffentlichen Finanzen gewesen, auch bei Schlecker eine Transfergesellschaft zu bilden.“ Schmiedels Parteikollegin und Sozialministerin Katrin Altpeter schlug in dieselbe Kerbe und sagte, die Arbeitsplatzverluste gingen auf das Konto der FDP. Zwar könne die Partei nichts für das Missmanagement der Schlecker-Familie. Doch das endgültige Aus beweise, dass die von der SPD im März vorgeschlagene und von der FDP verhinderte Einrichtung einer Transfergesellschaft für das Rest-Unternehmen der einzig erfolgreiche Weg gewesen wäre.
Der Sprecher des Handelsverbands Deutschland, Kai Falk, sagte der dpa zum Schlecker-Aus: „Wir bedauern diese Entscheidung natürlich sehr.“ Auf der anderen Seite sei der Verband angesichts offener Stellen optimistisch, dass etliche Beschäftigte schon bald einen neuen Job finden könnten, „besonders in Ballungsgebieten“. Der Fall Schlecker werfe aufs Neue ein Schlaglicht auf den wachsenden Anpassungsdruck im Einzelhandel. Viele Lebensmittelhändler hätten sich mit ihrem Sortiment zur Konkurrenz für Drogerien aufgeschwungen und Schleckers Wettbewerber hätten erfolgreicher expandiert.
Die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, Sabine Zimmermann, sprach von einer „marktradikalen Lösung“. „Mit dem Verlust ihres Arbeitsplatzes zahlen die Schlecker-Beschäftigten einen bitteren Preis für das Scheitern von Management und Politik.“