Report: Auf der Suche nach EHEC
Krefeld/Recklinghausen (dpa) - Zwischen all den Apparaten, Proben und Pipetten ist kein Platz für Schlagzeilen über den gefährlichen Keim: Im Labor regiert die Wissenschaft. In Glasbehältern schwimmen in einer grünen Flüssigkeit Salatblätter, Sprossen und Schnipsel von Radieschen.
Die Medizinisch-Technische Assistentin Monika Draber in ihrem weißen Kittel greift nach einer Tüte mit dicken Tomaten. Mit einer Schere schneidet sie Stücke aus der roten Frucht und lässt sie in einen neuen Glaskolben fallen. Wieder eine EHEC-Probe. Eine von 40 am Tag. Ein Treffer war bislang nicht dabei.
In aller Ruhe heften sich die Mitarbeiter am Chemischen und Veterinäruntersuchungsamt Rhein-Ruhr-Wupper (CVUA-RRW) in Krefeld an die Spur des gefährlichen Erregers. Seit Anfang Mai erkranken immer mehr Menschen an dem aggressiven Darmkeim. Der Druck, die Quelle des Erregers zu finden, wächst von Tag zu Tag. Überall in Deutschland werden täglich neue Proben auf EHEC getestet.
Das sechsköpfige Team in Krefeld arbeitet auch an den Feiertagen. Täglich treffen Lebensmittelproben aus dem rheinischen Ballungsraum mit 9,6 Millionen Menschen ein. Erst waren es immer wieder Gurken, Tomaten und Salat. Nun haben die Kontrolleure aus 27 Kreisordnungsbehörden auch etliche Packungen der seit kurzem ebenfalls unter EHEC-Verdacht stehenden Sprossen gebracht.
Die Ergebnisse leiten die Mitarbeiter des Prüflabors an die Kollegen ins eine Autostunde entfernte Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) in Recklinghausen. Im Lagezentrum des Amtes sitzt ein vierköpfiges Experten-Team. Unruhe und Hektik haben auch hier keinen Platz. An der Wand, gleich neben der Tür, hängen Informationen, die sie in den letzten Wochen gesammelt haben. „Frau, 24 Jahre“ ist mit einem roten Stift notiert. Gleich dahinter steht der Name einer großen Supermarktkette mit einem Fragezeichen.
„Rund 900 Proben wurden untersucht. Nix! Alle negativ“, sagt LANUV-Sprecher Peter Schütz. Seit mehreren Wochen laufen täglich bis zu 120 Proben bei den Experten ein. Bis jetzt haben die Untersuchungen zu keinem Ergebnis geführt. Die Zeit drängt, doch die Experten brauchen selbst noch Zeit. „Es ist mühsame Kleinarbeit“, sagt Schütz. „Wie in der Kriminalistik sammeln wir Indizien und versuchen, die einzelnen Puzzlestücke zusammenzufügen.“ Doch sie sind skeptisch. Vermutlich werde man die Quelle nicht finden.
„Jedes Mal guckt man intensiv hin“, sagt Teamleiterin Ingrid Hölzer-Werpup in Krefeld. Erst nach einem aufwendigen Verfahren kann EHEC nachgewiesen werden. Dabei päppelt erst eine Nährlösung eventuell vorhandene Keime auf. Dann steht ein bis zu 24 Stunden langer Aufenthalt bei schwülen 37 Grad in einem Brutraum an, um die Bildung des Giftstoffes anzuregen. Bei einem Treffer wäre EHEC nachgewiesen - aber noch nicht der exakte Typ. Der aktuelle Ausbruch geht auf das Konto vom Typ O104.
„Der 104er war bislang nicht in unserem Interesse“, berichtet Detlef Horn, der Leiter des Untersuchungsamts CVUA-RRW. EHEC sei an sich bei den Lebensmittelgiften eher selten. Dass der Erreger noch in keiner Probe gefunden wurde, beunruhigt den Chef der 240-Mann-Behörde nicht. „Auch negative Ergebnisse tragen zur Sicherheit bei“, sagt er. Sie seien auch ein Beitrag zur Versachlichung. „Auf Dauer kein Gemüse zu essen, ist ja keine Lösung.“