Report: Die Lust am Weltuntergang

Berlin (dpa) - „Davon geht die Welt nicht unter“, sang schon Zarah Leander vor 70 Jahren. Am Freitag stand angeblich die Apokalypse an, der Weltuntergang am 21. Dezember, beruhend auf einer Fehlinterpretation des Maya-Kalenders.

Und dann war es doch nur ein ganz normaler Tag. Wer Sintfluten oder einen Meteoriten-Regen erwartet hatte, wurde enttäuscht. Obwohl eigentlich jeder wissen konnte, dass die Ängste Quatsch waren: Fast niemand kam um den Weltuntergangs-Hype herum. Bei Facebook oder Twitter kursierten Witze, in den Medien gab es viele - meist ironische - Artikel und Beiträge.

„Mayageddon oder Mayagarnix?!“, fragte am Freitag etwa „Bild.de“ und fütterte einen „Apokalypse wow“-Ticker. „Spiegel Online“ überschrieb seinen „Liveticker zum Weltuntergang“ am Morgen mit den Sätzen: „Die Welt geht unter? Quatsch, die Sache mit dem Maya-Kalender ist Unfug! Äh, aber wenn doch was dran ist...? Zur Sicherheit werfen wir heute ein wachsames Auge auf unseren Planeten.“ „Focus Online“ zählte in einem „Countdown zum Weltuntergang“ die 24 Stunden des Tages runter. Beim Nachrichtensender n-tv liefen Bilder aus aller Welt - Einblendung dazu: „Achtung Weltuntergang“.

Zukunftsforscher Matthias Horx sagte bereits ein paar Tage vor dem 21. Dezember, dass Apokalypse-Fantasien schon immer zur menschlichen Kultur gehörten. Die meisten Religionen kämen ohne eine Vorstellung vom Ende der Welt nicht aus. Untergangs-Szenarien hätten dabei mental-taktische Aspekte: die Disziplinierung („Mit Weltuntergangs-Behauptungen kann man Herrschaft ausüben“), die Elitebildung („Apokalypsen sind oft mit einem engen Zirkel von "Erleuchteten" verbunden“) und drittens die Funktion als „Lebens-Verstärker“: In den Apokalypse-Filmen könne man reihenweise erleben, wie sich Familien wiederfinden oder versöhnen. „Im Untergang werden wir alle gleich und fallen uns in die Arme (...).“

Apropos Film: Das Werk „2012“ von Roland Emmerich aus dem Jahr 2009 hat der Astronom und Wissenschaftsautor Florian Freistetter als Ursache des aktuellen Spektakels ausgemacht: „Der angebliche Untergang im Zusammenhang mit dem Maya-Kalender war so lange kein Thema in der breiten Öffentlichkeit, bis ein Hollywood-Regisseur einen großen Film gedreht hat. Dann wurde dieses Weltuntergangsdatum, das vorher nur eine kleine Gruppe von Pseudowissenschaftlern und Esoterikern interessiert hat, bekannter.“ Es handle sich also um eine „Frage von medialer Aufmerksamkeit und Verstärkung“.

Waren die Ängste rund um die Jahrtausendwende 1999/2000 vergleichbar? Ja und Nein, meint der 35-jährige Freistetter. „Genau die gleichen Geschichten, die heute erzählt werden, wurden damals auch erzählt - die Welt wird untergehen, ein Asteroid schlägt ein, Planeten reihen sich auf, ein Sonnensturm kommt, Planeten kollidieren. Nur hat 1999 kaum jemand Internet gehabt. Da hat kaum jemand darüber geschrieben. Heutzutage können dagegen bereits Kinder auf ihrem Smartphone irgendwelche dummen Geschichten über den Weltuntergang lesen. 1999 hätten sie dazu eine Zeitung lesen müssen. Und da stand es meistens halbwegs vernünftig drin.“

Der Freiburger Sozialwissenschaftler Stephan Marks („Die Kunst nicht abzustumpfen. Hoffnung in Zeiten der Katastrophen.“) sagt, dass die heute oft übertriebene Beschäftigung mit Nichtigkeiten eine Art Ersatzhandlung sei - in einer Zeit, in der uns alle tagtäglich Krisen- und Katastrophenmeldungen aus der ganzen Welt überforderten.

„Die vielen Informationen sind mit Emotionen wie Angst, Ohnmacht, Verzweiflung, Scham oder Schuldgefühlen verbunden, mit denen die wenigsten Menschen gelernt haben, umzugehen; daher werden diese verleugnet“, erklärt Sozialwissenschaftler Marks. „Die Diskrepanz zwischen Kognition und Emotion wird immer unerträglicher, bis sich die angestauten Emotionen auf ein symbolträchtiges Ereignis fokussieren.“ Das könne dann der kleine Eisbär Knut sein oder jetzt der Maya-Kalender.